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Gefangen in der Wildnis

Gefangen in der Wildnis

Titel: Gefangen in der Wildnis
Autoren: Sandra Brown
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Jacke trug, ließ sich nicht erkennen, ob er atmete oder nicht.
    Vorsichtig streckte sie die Hand aus und hielt den Zeigefinger unter die Nase des Mannes, ganz nah, direkt bei den Nasenflügeln. Und stieß einen kleinen Laut aus, als sie den feuchten Luftzug spürte. Schwach nur, aber mit Sicherheit vorhanden.
    „Danke, Gott. Oh, Gott sei Dank." Sie begann gleichzeitig zu lachen und zu weinen. Sie schlug dem Mann leicht auf beide Wangen. „Wachen Sie auf, Mister. Kommen Sie, bitte wachen Sie auf."
    Er stöhnte, öffnete aber die Augen nicht. Je eher er das Bewusstsein zurückerlangte, desto besser, das wusste sie instinktiv. Und sie brauchte die Versicherung, dass er nicht tot war oder sterben würde - zumindest nicht sofort. Sie musste einfach wissen, dass sie nicht allein war.
    Kalte Luft würde wahrscheinlich helfen, um ihn wieder zu beleben. Also beschloss sie, ihn aus dem Flugzeug herauszuholen. Es würde nicht einfach werden, er wog mit Sicherheit gute fünfzig Pfund mehr als sie.
    Sie spürte jedes Gramm, als sie seinen Gurt öffnete und sein Gewicht mit Wucht gegen sie fiel. Das meiste davon konnte sie mit ihrer rechten Schulter auffangen. Ihn halb stützend, halb schleifend, zog sie ihn den Gang hinunter zu der Öffnung.
    Sie brauchte eine halbe Stunde für eine Entfernung von knapp drei Metern. Der blutige Arm versperrte ihnen den Weg, sie überwand ihren Abscheu, winkelte ihn an und legte ihn dem Toten auf den Schoß. Ihre Hand war voller Blut, warm und klebrig. Sie stieß ein entsetztes Wimmern aus, biss sich auf die zitternde Unterlippe und zog den Mann weiter, Zentimeter für Zentimeter.
    Der Gedanke schoss ihr durch den Kopf, dass sie dem Mann damit vielleicht mehr schadete als half, wenn sie ihn bewegte. Aber sie war schon so weit gekommen, sie würde jetzt nicht aufhören. Ein Ziel zu setzen und es zu erreichen war plötzlich ausgesprochen wichtig, und wenn es nur aus dem Grund war, um sich zu beweisen, dass sie nicht völlig hilflos war. Sie hatte sich zum Ziel gesetzt, ihn nach draußen zu bringen. Das würde sie tun, und wenn es sie umbringen sollte.
    Was durchaus passieren könnte, dachte sie einige Minuten später. Sie hatte ihn so weit nach vorn gezogen, wie es möglich war. Ab und zu stöhnte er, aber sonst zeigte er keine Anzeichen, dass er wieder zu Bewusstsein kommen würde. Sie ließ ihn liegen und zwang sich durch die Äste der Kiefer. Die gesamte linke Seite des Flugzeugrumpfes war weggerissen worden, sie musste den Mann also durch die Äste hindurchziehen. Sie brach so viele Zweige ab, wie es ihr möglich war, und kehrte dann zu dem Mann zurück.
    Sie brauchte allein fünf Minuten, um ihn so umzudrehen, dass sie die Arme unter seinen Achseln hindurchstecken konnte. Dann schleifte sie ihn rückwärts durch den engen Tunnel, den sie geschaffen hatte. Kiefernnadeln stachen ihr ins Gesicht, die raue Borke schürfte ihr die Haut von den Händen, aber glücklicherweise schützte ihre schwere Kleidung den größten Teil der Haut.
    Sie keuchte vor Anstrengung. Sie überlegte, ob sie eine Pause einlegen sollte, befürchtete aber, danach nicht mehr die Energie zum Weitermachen aufbringen zu können.
    Der Mann stöhnte jetzt fast ununterbrochen. Sie wusste, dass er unerträgliche Schmerzen haben musste, aber sie konnte jetzt nicht aufhören.
    Endlich spürte sie kalte Luft auf ihren Wangen. Sie zog den Kopf unter dem letzten Ast hervor und stand im Freien. Ein paar stolpernde Schritte rückwärts noch, und sie zog den Mann das letzte Stück nach. Erschöpft und ausgelaugt, mit schmerzenden Muskeln in Armen und Beinen, ließ sie sich einfach auf ihr Hinterteil fallen. Der Kopf des Mannes landete in ihrem Schoß.
    Sie stützte sich auf die Hände und lehnte sich nach hinten, hielt das Gesicht gen Himmel gewandt, bis sie wieder zu Atem kam. Während sie die kalte, beißende Luft in ihre Lungen sog, kam ihr zum ersten Mal der Gedanke, dass es doch gut war, noch am Leben zu sein. Sie dankte Gott dafür. Und für das zweite Leben, das er verschont hatte.
    Sie sah auf den Mann herunter. Erst jetzt fiel ihr die Beule auf. Eine riesige Schwellung, direkt an seiner Schläfe. Das musste der Grund für die Bewusstlosigkeit sein. Sie schob seine Schultern hoch und zog ihre Beine unter ihm hervor, kroch an seine Seite und begann seine Jacke aufzuknöpfen. Sie flehte darum, keine tödliche Wunde zu entdecken. Nein, nur das karierte Flanellhemd, ohne das kein Jäger auszukommen schien. Keinerlei Blutspuren,
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