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Gefangen in der Schreckenskammer

Gefangen in der Schreckenskammer

Titel: Gefangen in der Schreckenskammer
Autoren: Stefan Wolf
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Sie da?“ fragte Tim.
    „Nichts Verbotenes, Schutzmann. Aber
neulich lag ein halber Hummer im Müll. Halbe Hamburger finde ich täglich. Eine
Schande, was die Leute wegwerfen.“
    Tim lehnte sein Rad an die Mauer und
ging näher. Die Augen hatten sich an die Dunkelheit gewöhnt. Er fand sich ohne
Lampe zurecht, hatte sie ausgeknipst.
    „Heh!“ sagte der Penner. „Du bist gar
kein Bulle.“
    „Ich bin Tim.“
    „Auch Kohldampf?“
    „Nein. Ich suche was anderes.“
    Unfaßlich! dachte er. In unserem
Wohlstandsland gibt es Menschen, die sich aus der Mülltonne ernähren. Aber wer
weiß das schon? Ein Penner leistet nichts, also zählt er auch nicht. Auf einen
Herumtreiber kommt es nicht an. Ist der etwa kein Mensch?
    „Ich bin Ede“, stellte sich der Penner
vor. „Hast du Schnaps bei dir, Tim?“
    „Ich trinke keinen Alkohol. Ich bin
Sportler.“
    „Du meine Güte!“ meinte Ede und beugte
sich über einen der drei Abfallkörbe.
    „Halt, den nicht!“
    Tim trat neben ihn und ließ die Lampe
aufleuchten. Wenn er sich richtig erinnerte, war das der Behälter, in den Gaby
den Zettel geschnippt hatte.
    Gott sei Dank! Er war voll bis obenhin,
also vermutlich nicht geleert worden seit gestern. Jugendliche, die zur
Rollerbahn kamen, holten sich gern was zu futtern aus der Imbißstation an der
Ecke: Hamburger, Pommes, Curry-Wurst, Apfeltorte, Milchmix in Plastikbechern,
Coke.
    Pappteller und Tüten, Zeitungen und
Flaschen füllten den Abfallkorb.
    „Was suchste?“ fragte Ede.
    „Einen winzigen Zettel. Ich glaube, er
ist zusammengerollt auf Erbsengroße.“
    Der Korb hing an einem Haken. Tim nahm
ihn ab und trug ihn zur Straße. Ede schlurfte neben ihm her.
    „Sind ‘ne Menge Fressalien drin. Ich
rieche es. Die brauchste doch nicht?“
    „Nein, die brauche ich nicht. Aber
müssen Sie sich davon ernähren? Kriegen Sie nichts aus der Stadtküche — oder
beim Obdachlosenheim?“
    „Was die dort zusammenkochen — den
Schlangenfraß zwinge ich nicht runter. Lieber esse ich hier. Das schmeckt. Die
leckersten Sachen findest du im Bahnhofsmüll. Aber dort sind auch die meisten
Kollegen. Alles Feinschmecker. Wer einen guten Platz hat, verteidigt ihn. Erst
gestern hat mich Wanzen-Otto auf die Birne gehauen.“
    Tim trug den Abfallkorb unter eine
Laterne. Er breitete eine Zeitung auf dem Boden aus. Dann begann er, den Abfall
zu durchsuchen. Stück für Stück. Ede half, suchte aber nicht nach dem Zettel,
er hatte bereits zwei aufgeweichte Semmeln und ein halbes Kotelett gefunden.
    Mir wird übel vom Anfassen, dachte Tim,
und der Ede ißt, was hier gammelt.
    Er fühlte sich beschämt, obwohl er
nicht verantwortlich war für das Elend des Penners. Der schmatzte und schien
gar nicht so unglücklich zu sein. Er hatte andere Maßstäbe.
    Auf einem Pappteller schwamm ein
Papierkügelchen in einem Ketchup-See.
    War’s das?
    Er reinigte es mit einem
Papiertaschentuch und entfaltete das Kügelchen zum Zettel.
    ... Horror-Mönche...
    „Was steht denn da drauf?“ fragte Ede
mit vollem Mund.
    „Das ist eine viel zu lange Geschichte.
Und für Sie nicht wichtig.“
    Tim fand zwei Mark in seinen
Winterjeans und gab sie Ede.
    „Heißen Dank!“ mümmelte der. „Dann
komme ich ja doch noch zu meinem Bier.“

4. Bilder vom Seelenzustand
     
    Im Polizeipräsidium eilte Tim die
Treppe hinauf. Es war jetzt viel stiller als bei Tag. Nur die Nachtdienstler
arbeiteten.
    Wenn ich zum Kommissar ins Büro
schneie, dachte er, müßte er dasitzen mit heiterer Miene, mit frohem Gesicht,
lachend. Weil Gaby wieder da ist — und wir uns umsonst Löcher in die Seele
geängstigt haben. Hoffentlich! Kann ja viel passiert sein, während ich
unterwegs war.
    Stimmen in Glockners Büro. Nanu, war
das...? Er klopfte und trat ein. Karl, der Computer, saß im Besuchersessel,
hatte seine Nickelbrille abgenommen und soeben am Ärmel poliert.
    Von Heiterkeit und Frohsinn keine Spur.
    „Da bist du ja, Tim“, sagte Kommissar
Glockner. „Karl ist vor einer Minute gekommen. Ihm fiel was ein. Nämlich das
mit dem Zettel der Horror-Mönche. Ich wollte gerade den Stand der Dinge
erklären. Hast du ihn gefunden?“
    Tim zog das Papiertaschentuch aus der
Brusttasche. Der Zettel war eingewickelt.
    Während Glockner ihn las, setzte Tim
sich neben seinen Freund.
    „Ich habe auch daran gedacht und war
schon beim Abfallkorb.“
    „Bis jetzt“, sagte Karl, „hat Gaby sich
nicht gemeldet. Gerade als ich kam, rief Frau Glockner hier an. Nichts.
Horror-Mönche!
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