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Gefährliches Geheimnis

Gefährliches Geheimnis

Titel: Gefährliches Geheimnis
Autoren: Anne Perry
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sie ihm helfen konnte.
    »Ich weiß nicht, welche Fragen ich ihr stellen soll. Dir würde sie die Sache vielleicht erklären, dann …« Seine Worte verloren sich, weil er nicht wusste, was er noch sagen sollte.
    Wenn Verstehen doch die Lösung wäre! Hester fürchtete, seinen Schmerz noch zu vergrößern, weil er vielleicht erkennen musste, dass Imogen ihn nicht so liebte, wie er angenommen hatte und wie er es brauchte.
    Andererseits liebte er sie vielleicht auch nicht mit der
    Leidenschaft oder Eindringlichkeit, die sie sich wünschte. Er wartete, dass Hester etwas sagte. Er schien davon
    auszugehen, dass sie, weil sie eine Frau war, Imogen
    verstand und Zugang zu ihren Gefühlen hatte, die ihm verschlossen waren. Vielleicht gelang dies Hester, auch wenn das nicht bedeutete, dass sie sie ändern konnte. Aber selbst wenn die Wahrheit nicht half, war doch gewiss, das auch nichts anderes helfen würde.
    »Ich werde sie besuchen«, sagte Hester. »Weißt du, ob sie morgen Nachmittag zu Hause ist?«
    Erleichterung glättete Charles’ Miene. »Ja, ich vermute schon«, sagte er eifrig, »Wenn du früh genug gehst. So gegen vier macht sie vielleicht selbst Besuche.« Er stand auf. »Vielen Dank, Hester. Das ist sehr freundlich von dir. Ich verdiene das gar nicht.« Er sah äußerst verlegen drein.
    »Ich fürchte, ich war in der letzten Zeit nicht sehr …
    aufmerksam. Es … tut mir Leid.«
    »Du hast fast gar keine Notiz von mir genommen«, sagte sie mit einem Lächeln und versuchte, die Sache zu bagatellisieren, ohne ihm zu widersprechen. »Aber daran bin ich gleichermaßen schuldig. Ich hätte genauso gut bei dir vorbeischauen oder dir zumindest schreiben können, und ich hab’s nicht getan.«
    »Ich nehme an, dein Leben ist zu aufregend.« In seiner
    Stimme lag ein Hauch von Missbilligung, was in dem Augenblick sicher nicht seine Absicht war. Aber diese Art war so tief in seinem Denken verwurzelt, dass er sie nicht so einfach abschütteln konnte.
    »Ja«, meinte sie und hob ein wenig das Kinn. Es stimmte, aber auch wenn dem nicht so gewesen wäre, hätte sie Monk und das Leben, das sie führten, gegen jeden verteidigt. »Amerika war außergewöhnlich.«
    »Eine schlimmere Zeit für diese Reise hättet ihr euch nicht aussuchen können«, bemerkte er.
    Mit Mühe brachte sie ein Lächeln zu Stande. »Wir haben es uns nicht ausgesucht! Wir machten die Reise, um jemandem beizustehen, der in fürchterlichen Schwierig- keiten steckte. Ich bin sicher, das verstehst du.«
    Seine Miene wurde weicher, und er zwinkerte ein bisschen. »Natürlich verstehe ich das.« Er wurde ganz rot vor Verlegenheit. »Hast du das Fahrgeld morgen für einen Hansom?«
    Sie musste sich beherrschen, ihn nicht anzufahren. Schließlich bestand durchaus die Möglichkeit, dass sie es nicht hatte. Immerhin hatte es solche Zeiten gegeben. »Ja, danke.«
    »Oh … gut. Dann will ich … ehm …«
    »Ich komme dich besuchen, wenn es etwas zu berichten gibt«, versprach sie.
    »Oh … natürlich.« Und immer noch unsicher, wie er sich verhalten sollte, küsste er sie leicht auf beide Wangen und ging zur Tür.
    Als Monk am Abend nach Hause kam, erwähnte Hester Charles’ Besuch nicht. Monk hatte einen kleinen Diebstahl aufgeklärt und das Honorar dafür erhalten und war
    folglich zufrieden mit sich. Er interessierte sich sehr für ihre Geschichte über den Trichobezoar.
    »Warum?«, fragte er verwundert. »Warum macht jemand etwas so … so Selbstzerstörerisches?«
    »Wenn sie es weiß, kann oder will sie es uns nicht sagen«, antwortete Hester, schöpfte Hammeleintopf in Schalen und atmete den Duft ein. »Wahrscheinlich weiß sie es aber selbst nicht. Ein Schmerz, der zu schrecklich ist, um sich ihm zu stellen, geschweige denn ihn anzuerkennen.«
    »Armes Geschöpf!«, sagte Monk plötzlich mit uncharakteristischem Mitleid, als hätte er sich an sein eigenes Leiden erinnert und könnte sich nur allzu leicht vorstellen, darin zu ertrinken. »Kannst du ihr helfen?«
    »Kristian will es versuchen«, sagte Hester, nahm die Schalen und trug sie zum Tisch. »Er hat die nötige Geduld, und er tut nicht alle Hysteriker gleich als hoffnungslose Fälle ab, trotz Fermin Thorpe!«
    Monk wusste um die Geschichte von Kristian und Fermin Thorpe, und er sagte nichts, aber seine Miene war beredt. Schweigend folgte er seiner Frau zum Tisch und setzte sich, hungrig, durchgefroren und bereit zu essen.
    Am nächsten Morgen ging Hester ins Krankenhaus. Mary Ellsworth litt,
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