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Gefaehrliche Versuchung

Gefaehrliche Versuchung

Titel: Gefaehrliche Versuchung
Autoren: Eileen Dreyer
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rief sie und griff auf den Titel zurück, den sie eigentlich verabscheute, um den Fahrer dazu zu bewegen, endlich zu antworten. »Wissen Sie, was Ihnen blüht, wenn Sie mich nicht augenblicklich absetzen?«
    Um ehrlich zu sein, vermutlich nichts. Ihr Bruder Edwin, der aktuelle Duke of Livingston, würde sagen, dass sie es nicht anders verdient hätte. Ihr Stiefsohn Oswald, der Duke of Murther, würde sich sogar freuen. Sie war mit keinem von beiden je gut ausgekommen. Sie musste es trotzdem versuchen. Sie musste zurück zu Bea.
    Die Kutsche fuhr wieder in eine Kurve und bog dann, wie Kate annahm, auf eine gebührenpflichtige Straße ein. Im letzten Augenblick schaffte sie es, den Halteriemen zu packen, um nicht wieder umzukippen. Sie fühlte sich lädiert. Und was sie sich noch an Verletzungen zuziehen würde, bis der Idiot, der die Kutsche lenkte, endlich anhielt, wollte sie sich gar nicht ausmalen.
    Das gab ihr zu denken. Welcher Idiot eigentlich? Und wo würde er die Kutsche anhalten? Warum reagierte er nicht auf ihr Klopfen und ihr Rufen? Warum war er in der belebten Stadt nicht langsamer gefahren? Sie konnte die Rufe der Passanten hören und fürchtete um die Unversehrtheit der Fußgänger. Als sie versuchte, die Verdunklung an den Fenstern zu öffnen, bemerkte sie, dass auch diese sich nicht bewegen ließen. In dem Moment hörte sie einen Aufprall, noch mehr Schreie und zuckte zusammen.
    »Sind Sie verrückt geworden?«, rief sie und schlug mit der Faust gegen die Decke. »Halten Sie an!«
    War das eine Entführung? Sie war wohlhabend. Doch welcher Mensch, der bei vollem Verstand war, würde auf die Idee kommen, dass irgendjemand Geld bezahlen würde, um sie zurückzubekommen?
    »Haben Sie mich vorhin verstanden?«, schrie sie. »Ich sagte, ich bin eine Duchess. Ich bin eine reiche Duchess!« Zu irgendetwas musste es ja gut sein. »Lassen Sie mich gehen, und ich verdoppele den Betrag, den man Ihnen gezahlt hat. Oder noch besser: Bringen Sie mich zu meinem Bruder, dem Duke, und er wird Ihren Lohn verdreifachen!«
    Sie hatte die Worte kaum ausgesprochen, als sie erstarrte.
    Ihr Bruder.
    Plötzlich schien ihr Geist zu erstarren. Oh Gott, Edwin. Jahrelang hatte er gedroht, sie wegzusperren, weil sie sich seiner Meinung nach für eine Hilliard nicht angemessen verhielt. Hatte er das Gemälde gesehen? Ging es bei alldem hier darum?
    Kate wollte nicht in Panik verfallen. Die Vorstellung, dass ihr Bruder die Macht besaß, um sie für etwas einsperren zu lassen, mit dem sie nichts zu tun hatte, lehnte sie kategorisch ab. Und wenn sie ihn wiedersah, würde sie ihm das auch ins Gesicht sagen.
    Andererseits wäre es wahrscheinlich besser, wenn sie ihm überhaupt nicht entgegentreten müsste. Sie musste entkommen, ehe er etwas Unwiderrufliches tat.
    Die Kutsche fuhr zu schnell und schwankte bedrohlich. Sie hielt sich an dem Haltegurt fest und wurde noch immer hin und her geworfen. Wenn sie hinaussprang, würde sie bei dem Versuch wahrscheinlich sterben. Sie lachte laut auf. Es gab Schlimmeres als einen aufgeplatzten Kopf. Sie würde springen und das Risiko nur allzu gern in Kauf nehmen.
    Sie war noch immer zu aufgebracht und wütend, um wirklich Angst zu haben. Das bedeutete, dass es Zeit war zu handeln. Sie atmete tief ein, bekreuzigte sich wie ein Katholik und packte den Türgriff.
    Er rührte sich nicht. Sie rüttelte daran, zog und zerrte. Sie versuchte es an der anderen Seite. Nichts. Irgendwie hatten sie die Tür verriegelt und gesichert, um zu verhindern, dass sie floh. Vielleicht konnte sie wenigstens Passanten auf sich aufmerksam machen. Also zerrte sie noch einmal an den Verdunklungen aus Leder, die vor den Fenstern waren. Aber sie musste feststellen, dass die Verdunklung festgenagelt war. Sie war wirklich und wahrhaftig eingesperrt.
    Zum ersten Mal wurde ihr bewusst, wie verzweifelt ihre Situation war. Zur Hölle mit Edwin.
    Sie musste Diccan benachrichtigen. Er würde eingreifen. Zumindest könnte er Edwin mit einer öffentlichen Schmach drohen, die ihr Bruder so sehr verabscheute.
    Diccan war allerdings fast fünfzig Meilen entfernt und trug seinen Vater zu Grabe. Zu weit, um sie schnell retten zu können. Und er war viel zu erschüttert von dem plötzlichen, unerwarteten Tod seines Vaters, um sich um Kate kümmern zu können.
    Sie seufzte und hasste es, wie ihre Stimme dabei zitterte. Sie hasste es, die Kontrolle zu verlieren und einer Situation hilflos ausgeliefert zu sein. Schon vor langer Zeit hatte sie
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