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Gefährliche Nebenwirkung (German Edition)

Gefährliche Nebenwirkung (German Edition)

Titel: Gefährliche Nebenwirkung (German Edition)
Autoren: Audrey Braun
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die Musik aus seinen Ohrstöpseln plärren hören. Er wird taub sein, bevor er zwanzig ist. Eine gute Mutter würde ihn veranlassen, die Musik leiser zu machen. Er drückt seine Stirn gegen das Fenster.
    »Es ist dreckig hier«, sagt er.
    »Sieh dir das Meer an«, sage ich. »Es ist wunderschön.« Wie würde meine Lieblingsautorin Joella Lundstrum es beschreiben? Pfauenblau. Wogend. Eine sinnliche Verlockung. Ich fürchte, das klingt mehr nach Dee Dee Dawsons Reihe
Urtriebe.
    »Maggie sagt, man kann das Wasser noch nicht mal trinken«, meint Oliver. Er hat wieder diesen gewissen Ton in der Stimme. Maggie ist erst seit drei Monaten seine Freundin. Innerlich tadele ich mich, weil ich mich nach der jüngeren Version von ihm sehne, nach dem Sohn, den ich nicht mehr habe. Eine Mischung aus Sehnsucht und Wut breitet sich in mir aus. Und plötzlich möchte ich nichts lieber, als auch die Tage davor noch einmal zu erleben. Die Tage vor meiner Ehe, bevor ich Mutter wurde. Als ich noch echte Literatur redigiert und mich anerkannt und wichtig gefühlt habe. Als mir die Prosa, die ich las, noch den Atem verschlug mit ihrer Klarheit, mit der sie Gefühle ausdrückte, für die ich selbst keine Worte besaß. Ich wusste noch nicht, was die Zukunft mir bringen würde. Wen würde ich heiraten? Wo würde ich leben? Wann würde ich Mutter werden?
    »Maggie muss das Wasser ja nicht trinken«, sage ich blöderweise. »Und du auch nicht.«
    Er verdreht die Augen und schüttelt langsam und abschätzig den Kopf.
    Ich verdrehe ebenfalls die Augen und schüttle wie er langsam und abschätzig den Kopf. Manchmal bringt es mir ein kleines Lachen ein, wenn ich ihn nachahme. Diesmal nicht.
    Letzte Nacht, als ich hörte, wie Oliver die Tür von Maggies Honda zuknallte, bin ich aus dem Bett geschlüpft. Vom Schlafzimmerfenster aus sah ich, wie er mit geballten Fäustenden Weg zum Haus entlang marschiert kam. Maggie sprang aus dem Wagen, lief ihm nach und hielt ihn am Arm fest. Oliver drehte sich um und flüsterte ihr wütend etwas zu. Sie rammte ihre klobigen Stiefel in den Boden und schimpfte leise zurück. Dann hob Oliver seine Hand an ihrer Wange. Ganz sanft. Und er ließ sie dort liegen, während er sich zu ihrem Ohr herunterbeugte. Maggie schlang die Arme um seinen Hals und die beiden küssten sich. Lange genug, um mich unruhig zu machen. Schließlich hörten sie auf und dann lachten sie.
    »Celia. Komm ins Bett.« Jonathons Stimme hatte in der Dunkelheit so fremd geklungen und mich erschreckt.
    Ich kroch zurück ins Bett und dachte daran, dass wir am nächsten Morgen unseren Flug bekommen mussten. Eine Woche lang würden wir drei uns dann in ein Ferienapartment mit zwei Schlafzimmern quetschen, immer gemeinsam essen, Seite an Seite am Strand sitzen, zusammen schwimmen und bei Sonnenuntergang an der Promenade spazieren gehen. Worüber, um Himmels willen, würden wir reden?
    Jonathons Hand glitt auf meine Brust. Ich wollte mich wegdrehen. »Ich liebe dich«, flüsterte er und sein Ton schockierte mich derart, dass ich unbeweglich liegen blieb, meine Brust in seiner Hand. Wie lange war es her, dass er diese Worte so gesagt hatte, als würde er sie auch meinen? Wie lange, dass ich selbst sie so gesagt hatte?
    Ich hatte mich ihm zugewandt und seine Wange berührt, ohne meinem spontanen Impuls zu folgen, mich ihm zu entziehen. Ich streifte mein kurzes Nachthemd über den Kopf und küsste ihn mit mehr Leidenschaft, als ich sie normalerweise aufbringen konnte. Er schmeckte nach Zahnpasta. Mein eigenerAtem musste ziemlich sauer sein, nachdem ich stundenlang mit zusammengebissenen Zähnen vor mich hin gearbeitet hatte. Trotzdem küsste ich ihn voller Inbrunst. An mir war schließ-lich nichts falsch. Das sagte ich mir immer wieder, während ich mechanisch zu Werke ging – Hände, Zunge, Lippen. Ich versuchte, mir eine Szene aus
Legenden der Lust
vorzustellen. Die Hitze, das Verdorbene und am Ende eine Explosion, die wild genug war, um einen ganzen Raum verschwitzt und in einem völligen Durcheinander zurückzulassen. Ich war eine schlanke Nymphe, die einfach nicht genug bekommen konnte. Mehr, mehr, mehr. Ich wollte, dass andere uns sehen konnten, unsere Lust spürten. Ja, ja, ja.
    Es hatte keinen Zweck. Unser Liebesspiel läuft im Höchstfall wie ein gut geprobtes Theaterstück ab. Ein schneller Auftritt, den wir exakt nach Plan im Dunkeln abspulen. Im schlechtesten Fall geht es nach einer Pause gar nicht weiter und keiner von uns erlebt den letzten
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