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Gefährliche Nebenwirkung (German Edition)

Gefährliche Nebenwirkung (German Edition)

Titel: Gefährliche Nebenwirkung (German Edition)
Autoren: Audrey Braun
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Verstand versagt mir den Dienst. Meine Sinne versiegen. Ich versinke in einen tranceartigen, schmerzlosen Zustand, aus dem mich Olivers Stimme aus der Küche –
Mom, bist du okay?
– zurückholt.
    Ich ziehe meine Hände unter Jonathons Knien hervor. Ich kralle meine Finger in das offene Fleisch seiner Wange, als seies nichts anderes als eine alte Tapete. Ich reiße daran, und ein Stück löst sich.
    Mit einem Schrei, wie die Welt ihn noch nicht gehört hat, lässt Jonathon meinen Hals los. Er krabbelt über meinen Kopf zu seinem Messer. Er packt es, aber ich bin bereits über ihm und ramme ihm meine Hacke zwischen die Beine.
    Er rollt auf die Seite, das Messer umklammert, sein blutverschmierter Mund wie der klaffende Schnitt in einem Stück rohen, blutigen Fleisch.
    Ich trete ihm ins Gesicht, mitten auf die Nase. Er schwingt das Messer, schneidet mir in die Knöchel und Waden, verpasst mir überall kleine Schnitte. Meine Hände triefen inzwischen vor Blut.
    Rote Lichter zucken über den Hügel. Sirenen jaulen. Stimmen ertönen, deren Quelle ich aber nicht ausmachen kann.
    Ich sehe nur meinen Fuß, der die Hand mit dem Messer zerquetscht. Ich trample auf alles Fleisch, das ich spüre. Sein Handgelenk bricht unter meiner Hacke.
    Schlaff liegt seine Hand im Gras, seine Augen sind geschlossen, das blutige Messer neben ihm. Ich trete weiter zu.
    Mom.
    Ich trete ihn in den Boden, zertrample ihn wie die letzte Glut eines Feuers.
    Mom!

»Ich kann dir nicht genau sagen, was nicht stimmt, Jonathon«, versuche ich zu sagen. »Wirst du es in Ordnung bringen?«
    »Mom!«
    Oliver dreht mich herum, damit ich ihn ansehe. Er packt mich bei den Schultern und schüttelt mich. »Hör auf!« SeineStimme schrillt in meinem Ohr. Er berührt meine Rippen, meine Hände. »Du blutest überall!«
    »Warum hast du nicht auf mich gehört?«, sage ich, meine Stimme nur ein Krächzen aus einer versengten Kehle.
    Erst dann fällt mir ein, dass mich das Messer in die Seite getroffen hat. Ich erinnere mich an Benicio, der wie von einer gigantischen Sturmböe getroffen, ausgestreckt im Gras lag.
    Oliver steht vor mir, unverletzt. Das Grübchen meiner Mutter. Annalieses Augen. Mein wunderschöner Junge.

40
    Katarina kommt mit ihrem Mann Simon und ihrer zehn Jahre alten Tochter Frieda. Sie bringen gelbe Tulpen mit, die mit einem dicken blauen Band zusammengebunden sind, und ein Fotoalbum, das ich behalten darf. Date Lew und sein Bruder Lukas schenken mir rosa Rosen. Dann sind da noch Anselm, seine Frau Dagmar und ihr neugeborenes Baby Maximilian. Sie haben Schokolade und weiße Gänseblümchen dabei. Sophie, die im genau gleichen Alter wie Oliver ist und von der unglaublichen Ähnlichkeit her seine Schwester sein könnte, kommt mit ihrem Vater Emil und dessen Freundin Clarissa. Sie sprechen perfekt Englisch, da sie einige Zeit in New York gelebt haben. Sie haben rote Gerbera dabei und eine Ausgabe der
New York Times
. Sie bringen auch Oliver mit und haben angeboten, ihn solange aufzunehmen, wie es nötig ist. Sophie und Oliver verschwinden sofort für eine Cola in einem Café, Freunde auf der Stelle, vereinigte Teenager gegen so viele Erwachsene. Da sind Lena und Tillie und Ulrike und Magda, alle Schwestern, alles Tanten. Dann sind da noch Rolf und Astrid und Karl und Rainer. Ich kann mich nicht mehr erinnern, in welcherWeise wir verwandt sind. Und es stellt sich heraus, dass meine Krankenschwester Vanessa Seifert meine zweite Cousine ist.
    Sie geben mir Ratschläge, was ich essen und trinken soll, damit meine Wunden schnell heilen. Wie ich widerspenstiges Haar bändige, wenn die feuchte Hitze des Sommers kommt. Sie beraten mich, wenn es um Erziehung geht, ums Backen, wo ich ein Haus kaufen kann, wo Möbel, selbst ob ich noch einmal heiraten sollte oder nicht.
    Und als ob das noch nicht genug wäre, taucht nachmittags um zwei auch noch Willow mit jeder Menge eigener Ratschläge auf.
    Benicio liegt ruhig in dem Krankenhausbett neben mir. Die Ärzte haben ihn heute Morgen schließlich in mein Zimmer geschoben. Er hatte drei Tage auf der Intensivstation verbracht. Der Cocktail in Henris Spritze war dazu gedacht gewesen, einen zu lähmen und schlussendlich einen Herzstillstand herbeizuführen. Wenn Olivers Arm nicht zufällig gegen Henris Hand geschlagen hätte, wäre die Nadel tiefer in Benicios Bein eingedrungen. Er hätte innerhalb von Minuten sterben können.
    Auch ich hatte Glück. Jonathons Messer hat meine Milz nur um Millimeter verfehlt.
    Es ist
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