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Gefährliche Intrigen

Gefährliche Intrigen

Titel: Gefährliche Intrigen
Autoren: Emily Bold
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dem viel zu großen, moosgrünen Mantel, der noch nicht einmal ihr eigener war.
    Nun, von Mollys Gesellschaft befreit, gab sie sich zum ersten Mal ihrer Trauer, die sie so mühsam zurückgehalten hatte, hin.
    Wie hatte es nur dazu kommen können? Diese Frage hatte sie sich seither schon unzählige Male gestellt, aber auch jetzt konnte sie keine Antwort darauf finden. Wie hatte es passieren können, dass das Haus, in dem sie ihr gesamtes Leben verbracht hatte, in dieser schicksalhaften Nacht bis auf die Grundmauern niedergebrannt war? Und warum hatte sich keiner vor den Flammen retten können? Keiner der Diener, keine Magd, nicht ihre Amme, die sie natürlich mit ihren inzwischen siebzehn Jahren nicht mehr brauchte, die aber wie ein Familienmitglied bei ihnen gelebt hatte, und auch nicht ihre geliebten Eltern.
    Emma versuchte, auf der gepolsterten Bank eine stabilere Position einzunehmen - was gar nicht so einfach war, denn der Weg wurde von Meile zu Meile holpriger, und die Kutsche schwankte beträchtlich, wenn sie durch ein großes Schlagloch fuhren. Derart aus ihren Grübeleien gerissen, bemerkte Emma, dass sich die Landschaft verändert hatte. Anstelle von flachen Feldern und sprudelnden Bachläufen zogen nun Bäume und dichtes Buschwerk am Fenster der Kutsche vorbei. Auch das Wetter hatte sich verändert: Die Sonne, die sie noch am Mittag geblendet hatte, war inzwischen hinter dichten, schwarzen, so gut zu ihrer Stimmung passenden Wolken, verschwunden. Immer wieder sah sie die schrecklichen Bilder des einstürzenden Hauses vor sich.
    Sie selbst war dem Unglück nur dadurch entgangen, dass sie sich aus dem Haus geschlichen hatte, nur deshalb war sie nicht in ihrem Himmelbett zu Tode gekommen. Natürlich war Emma froh, mit dem Leben davongekommen zu sein, doch seit jener Nacht plagten sie schlimme Albträume: Ihre Eltern, eingeschlossen in einem Meer aus emporzüngelnden Flammen. Immer wieder rief sie nach ihnen, und immer wieder war es zu spät. Sie konnte niemanden mehr retten. Sie war allein.
    Wenn Emma dann schweißgebadet und zitternd erwachte, fragte sie sich, warum es nicht auch ihr bestimmt gewesen war, in dieser Nacht zu sterben. Sie fühlte sich schuldig, weil sie überlebt hatte.
    Um diese schmerzlichen Gedanken zu vertreiben, barg sie ihren Kopf in ihren Händen, die Stirn auf den Knien, und versuchte ihre Verzweiflung in den Griff zu bekommen. Als sie sich nach einer Weile wieder aufrichten wollte, nahm sie aus dem Augenwinkel ein Glitzern unter ihrem Sitz wahr. Vorsichtig, um nicht aus dem Gleichgewicht zu geraten, bückte sie sich. Was haben wir denn da? Bei dem Versuch, die Schatulle aus der staubigen Ecke hervorzuholen, wurde Emma von ihren ausladenden Röcken behindert. Sie strich sich eine vorwitzige Locke aus dem Gesicht und betrachtete ihre Entdeckung. Die hölzerne Schatulle war staubig und voller Spinnweben. Emma wischte sie ab, dann öffnete sie vorsichtig den filigranen Silberverschluss. Als sie den Deckel aufklappte, machte sich ein beklemmendes Gefühl in ihr breit: In der Schatulle lag, auf rotem Samt gebettet, die mit Intarsien verzierte Steinschlosspistole ihres Vaters. Die Waffe war bestimmt unabsichtlich unter den Sitz gelangt, denn ihr Vater war ein sehr ordentlicher Mann gewesen. Mit zitternden Fingern nahm Emma das wertvolle Stück heraus und ließ ihre Finger fast zärtlich über das kühle Metall und die Schnitzerei am Griff wandern, die das Wappen ihrer Familie darstellten. Nun hatte sie doch noch etwas gefunden, das nicht vom Feuer vernichtet worden war.
    Wieder stiegen ihr die Tränen in die grünen, etwas zu schräg stehenden Augen und rollten über ihre Wangen. Emma hielt die kalte Waffe an sich gedrückt, als könnte sie dadurch ihrer Familie näher sein. Sie wollte sie nicht loslassen, nicht das dünne Band der Erinnerung dadurch zerreißen, dass sie die Pistole zurücklegte. Endlich, mit einem Gefühl des Trostes, sank sie nun in einen tiefen traumlosen Schlaf. Ihr sonst so anmutiges Gesicht war vom vielen Weinen gerötet, ihre dunklen Locken hatten sich aus dem Zopf gelöst und fielen ihr wirr auf den Rücken.
    Die Schrecken der vergangenen Tage hatten dunkle Schatten unter ihren sonst vor Energie und Freude sprühenden Augen hinterlassen, und ihre vollen Lippen waren zu einer schmalen harten Linie zusammengedrückt. Doch im Schlaf entspannten sich ihre Gesichtszüge und sie wirkte noch jünger und verletzlicher als sie es mit ihren siebzehn Jahren war.
    Sie musste wohl
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