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Gefährliche Freiheit

Gefährliche Freiheit

Titel: Gefährliche Freiheit
Autoren: Margaret Peterson Haddix
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kauerte sich hin und vertraute darauf, dass er im Halbdunkel nicht zu sehen sein würde.
    »Ha-ha! Denen haben wir’s gezeigt, was?«
    »Habt ihr die Gesichter gesehen, kurz bevor sie kehrtgemacht haben und abgehauen sind?«
    Die Stimmen waren noch so weit weg, dass Luke die Worte kaum verstehen konnte. Aber das Gelächter und Getrampel hörte er doch.
    Schon einmal hatte Luke in einem dunklen Wald hinter einem Baum gestanden und heimlich gelauscht. Damals hatte er den Mut besessen, hervorzutreten, sich zu zeigen und die anderen offen herauszufordern. Doch seitdem hatte er viele schreckliche Dinge miterlebt: Man hatte ihn ebenso betrogen wie ermutigt, gequält wie von Qualen befreit.
    Dieses Mal blieb er hinter dem Baum.
    Schließlich verloren sich die Stimmen, das Gelächter und die Schritte in der Ferne. Verwundert blieb Luke noch eine Weile im Dustern hocken: Was hatte das zu bedeuten? Zu welcher Seite gehörten diese Leute? Waren sie in die Schießerei verwickelt gewesen? Gegen wen hatten sie gekämpft? Und wer war davongerannt?
    Luke dachte an seine eigene verzweifelte Flucht und wieder übermannte ihn die alte bleierne Angst. Er schob sie fort und versuchte, logisch zu denken. Von ihm konnten sie nicht gesprochen haben. Er war allein, nicht zu mehreren.
    Aber ich war mit anderen zusammen – mit Officer Houk, dem Fahrer und dem anderen Jungen. Luke hatte noch nicht darüber nachgedacht, was sie wohl getan hatten, nachdem er die Pistole fallen gelassen hatte und davongerannt war. In seiner Erinnerung war die Szene in Chiutza wie zu einem Märchenbild erstarrt. Er hatte fast das Gefühl, jederzeit ins Dorf zurückmarschieren zu können, wo die Waffe nach wie vor auf dem Boden liegen, die alte Dame noch aufrecht und herausfordernd dastehen und die Menge sich in kleinen Grüppchen entsetzt und ungläubig zusammenscharen würde, während Officer Houk mit dem Funkgerät in der Hand am Jeep lehnte und ihm fast die Augen aus dem Kopf fielen. Aber natürlich stimmte das nicht – irgendetwas war passiert, nachdem Luke davongerannt war. Jemand hatte eine Waffe abgefeuert und danach hatten viele Jemands eine Menge Waffen abgefeuert. Luke konnte nicht in seine Höhle zurückkehren und sich dort zusammenkauern, ehe er über das Wer, Was, Wie und Warum Bescheid wusste.
    Mit verzerrtem Gesicht stand er auf und ging weiter. Schon nach wenigen Schritten hörte er wieder Stimmen, einzelne Worte konnte er nicht ausmachen, aber in ihrem Klang lagen Freude und Triumph. Luke wechselte die Richtung und folgte den Stimmen mit einigem Abstand, wobei er sich bemühte, so leise wie möglich aufzutreten. Er glaubte zwar nicht, dass das gelegentliche Knacken eines Astes oder das Rascheln der Blätter irgendjemanden misstrauisch machen würde, dennoch reichte jedes einzelne Geräusch aus, um ihn aufs Neue in Panik zu versetzen. Unter Aufbietung all seiner Kräfte zwang er sich weiterzugehen.
    Du hattest es gut, Jen, dachte er und fing schon wieder an, sich mit einem Geist zu streiten. Du konntest deine Aktionen planen; du hattest alles unter Kontrolle und musstest dich nicht mit irgendwelchen Rätseln herumschlagen.
    Natürlich stimmte das nicht, denn Jen hatte nicht gewusst, was auf ihrer Kundgebung passieren würde. Sie hatte keine Kontrolle gehabt über die anderen Kinder, die ebenfalls an der Kundgebung hatten teilnehmen sollen. Sie hatte weder über hellseherische Kräfte noch über spezielle Kenntnisse verfügt, die sie schützten. Alles, was sie gehabt hatte, waren ihr Mut und ihre Hoffnung gewesen und ihr Glaube daran, dass die Freiheit, wenn sie endlich käme, das Risiko wert sein würde.
    Luke erreichte den Waldrand und fand sich zu seiner Überraschung am Ortsausgang von Chiutza wieder. Er blieb im Schatten der Bäume, hörte Türen zuschlagen, dann Stille. Sie mussten alle in ihre Häuser gegangen sein. Sämtliche Häuser waren gegen die Kälte verrammelt – er sah Rauch aus den Schornsteinen aufsteigen und hin und wieder Gestalten an Fenstern vorübergehen, aber es drang kein Laut heraus.
    Wenn er wartete, bis es dunkel war, konnte er vielleicht zu einem der Häuser kriechen, das Ohr an die Wand legen und wenigstens irgendetwas in Erfahrung bringen. Allerdings würde er vermutlich nicht mehr in seine Höhle zurückfinden, wenn es erst dunkel war. Dann hatte er keinen Unterschlupf, keinen Schutz vor der langen, eisigen Nacht.
    Luke war immer noch damit beschäftigt, sich zu überlegen, was er tun sollte, als er hinter einem
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