Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gaisburger Schlachthof

Gaisburger Schlachthof

Titel: Gaisburger Schlachthof
Autoren: Christine Lehmann
Vom Netzwerk:
nabelfreien Kurzshirt über die Königstraße schlenderte.
    »Aber ein bissle Disziplin ghört halt au dazu«, schwäbelte Fritz leutselig.
    »Klar doch!«
    Was für Verabredungen traf ich da? Als ob ich es nicht eilig genug haben könnte, meinen ausgelatschten Körper loszuwerden und mich in neuem Leder wiederzufinden. Von dem Mann ging etwas aus, das einen zwang, sich mit fliegenden Fahnen aufzugeben. Dass er schon wieder die Hand auf meiner Schulter hatte, merkte ich erst, als er sie wegzog.
    Die Treppe erbebte, und in trauter Phalanx kamen Katrin, Dr. Weber und der Karatemeister herab. Katrin trug schwarze Hosen und eine gemusterte Bluse, der Karatemeister war in Jeans und Hemd und der Führungsaffe immer noch in seinem eitlen Sportdress. Fritz hob das Kinn und blickte beiseite wie ein Hund, der nicht angegriffen werden will. Seine Frau Kat rin presste die Lippen zusammen und kräuselte die Mundwin kel.
    Diese Ehe war im Eimer!
    Und wie war das? War da nicht vor kurzem erst die Aero bic lehrerin Anette auf dem Parkett liegen geblieben? Zum Bei spiel, weil sie etwas mit Fritz Schiller gehabt hatte.
    Die drei Dämonen aus dem Kampfsportstockwerk zogen an uns vorbei. Vicky trudelte ihnen hinterher die Treppe hinunter. Fritz gewann rasch seine hypnotische Selbstsicherheit zurück, aber nicht ganz vollständig.
    »Hier finden die Aerobickurse statt«, erklärte er mir, während er zum Lichtschalter ging, »jeden Morgen halb acht und abends um acht, außer sonntags.«
    »Ach ja«, sagte ich, »arbeitet Anette eigentlich noch hier?«
    »Nein.« Er knipste das Licht aus. Das Parkett verlor seinen Schimmer, die Spiegel erloschen. »Nein, sie hat uns verlassen.«
    »Ach, warum denn?«
    Der nächste Lichtschalter befand sich an einem Pfeiler im abgetrennten Geviert der Langhantelgeräte mit den wirklich schweren Gewichten. Etwas abseits stand eine Flachdrückbank in erstaunlich derangiertem Zustand. Die Beine verbogen, die Haltegabeln geknickt, als ob sie ein Dinosaurier plattgemacht hätte.
    »Gott, was ist denn damit passiert?«, rief ich.
    Das Licht erlosch, und ich hätte mich in den Arsch beißen können. Anette entglitt mir, ehe ich sie packen konnte, entschwand und verging.
    Fritz lachte. »Die neue Bank ist schon bestellt. Hoffentlich ist sie stabiler. Man sollte nicht glauben, dass eine Firma derartigen Schrott zu verkaufen wagt. Aber heutzutage stellen ja alle, die sonst nix können, Fitnessgeräte her. Die Bank ist zusammengekracht, als sich unser Hundertzwanzig-Kilo-Mann ein Gewicht von hundertzwanzig Kilo auflegte. Zum Glück ist ihm nichts passiert.«
    In den schwarzen Spiegeln blitzten die Reflexe der Beleuchtung aus dem Untergeschoss, heraufgesiebt von den luftigen Treppenstufen. Fritz und ich stießen zusammen, als wir uns beide dem Treppenabstieg zuwandten. »Hoppla!«
    Unten trat der blonde Herkules zu uns, ein Muskeltier, noch stärker als Fritz, noch kühler, auch beschränkter und schwerfälliger als sein einfühlsamer sportlicher Chef. Der Herkules versuchte ein Lächeln. Aber Fritz biss ihn sofort weg. »Horst, vergiss nicht wieder das Licht in den Duschen!«
    Mit verfrorenem Lächeln bog Horst zu den Umkleideräu men ab. Hinter uns fiel die Dunkelheit wie ein Rollladen.
    Am Empfang hatte Gertrud den Computer auch bereits abgemeldet. Sie fachte aber ihr Lächeln noch mal an, als Fritz mich ihr als neue Kundin präsentierte, und versprach mir eine Ausweiskarte bis Montag.
    Fritz gab mir die Hand. »Ich freue mich schon auf unsere Zusammenarbeit, Lisa.«
    So entließ man mich aus einem allseits falschen Lächeln.

3
     
    Auf dem dunklen Parkplatz sah ich Vicky an einem weißen Audi mit einem Mann streiten. Ihre Hände sichelten seine Argumente nieder. Er sackte zusammen. Halbglatze, krumme Schultern, mager, ein Hädele, wie man in Schwaben sagt. Ein Autoschlüssel wechselte von seiner in ihre schnappende Hand. In der Absicht, wütend zu erscheinen, stakte er gedrückt vom Platz. Vicky winkte mir mit dem Schlüssel zu. »Soll ich dich irgendwohin mitnehmen? Ich habe das Auto! Wir könnten doch noch was trinken gehen. Oder hast du Kinder?«
    »Nein.«
    »Dann musst du also nicht gleich nach Hause!«
    Ich hätte gern gemusst.
    »Steig ein!« Vicky steuerte das Familienauto vom Parkplatz auf die Wangener Straße, bog in die Talstraße ab und rammelte dann bergauf in die verschlungenen Gassen von Gaisburg. Ich schloss die Augen und halluzinierte krachende Außenspiegel.
    »Angst?«, hörte ich Vicky
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher