Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gabriel Lambert

Gabriel Lambert

Titel: Gabriel Lambert
Autoren: Alexandre Dumas
Vom Netzwerk:
ihnen mit der Bemerkung an, sie möchten damit auf meine Gesundheit trinken, doch nicht eine Hand streckte sich aus, um sie zu nehmen.
    »Es ist ihnen verboten, etwas anzunehmen«, sagte der Aufseher.
    »Und warum das?« fragte ich.
    »Sie dürfen kein Geld besitzen.«
    »Aber Sie – können Sie ihnen nicht erlauben, ein Glas Wein zu trinken, bis wir bereit sind?«
    2 Strafanstalt, in der die Sträfl inge auf der rechten Schulter gebrandmarkt wurden und Tag und Nacht in Ketten gelegt waren und schwerste Arbeiten verrichten mußten.
    »Aber natürlich!«
    »Nun, so lassen Sie ein Frühstück aus der Schenke des Forts holen, ich werde bezahlen.«
    »Ich sagte es schon dem Kommandanten«, versetzte der Aufseher, mit einer und derselben Bewegung den Kopf und die Schultern schüttelnd, »ich sagte es schon, Sie würden sie mir verderben. Doch da sie in Ihrem Dienste stehen, müssen sie wohl tun, was Sie wollen. Vorwärts, Gabriel; im Fort Lamalgue holst du Brot, Wein und ein Stück Käse.«
    »Ich bin im Bagno, um zu arbeiten, nicht aber um Ihre Aufträge auszuführen«, antwortete derjenige, an den dieser Befehl gerichtet war.
    »Ach, richtig; ich vergaß, daß du ein zu vornehmer Herr bist, um das zu tun, Herr Doktor; doch da es sich ebensogut um dein Frühstück handelt als um das der anderen …«
    »Ich habe meine Suppe gegessen, und mich hungert nicht«, antwortete der Galeerensklave.
    »Entschuldigen Sie – nun wohl! Rossignol wird nicht so stolz sein.
    Vorwärts, Rossignol, mein Sohn.«
    Die Vermutung des ehrenwerten Aufsehers war richtig. Derjenige, an den das Wort gerichtet gewesen war und der ohne Zweifel seinen Namen dem Mißbrauch verdankte, den er mit dem geistreichen Instrument getrieben hatte, mit dessen Hilfe man den fehlenden Schlüssel zu ersetzen pfl egt, mit einem Dietrich, stand auf, schleppte seinen Kameraden hinter sich her – im Bagno sind bekanntlich immer zwei Sträfl inge aneinandergekettet – und ging auf die Schenke zu, die uns mit Lebensmitteln zu versehen die Ehre hatte.
    Mittlerweile warf ich einen Blick auf den Widerspenstigen, dessen wenig ehrfurchtsvolle Antwort zu meinem großen Erstaunen an-scheinend keine Strafe nach sich zu ziehen schien. Der jedoch hatte den Kopf von mir abgewandt, und da er diese Stellung mit einer Beharrlichkeit behauptete, die das Resultat eines festen Entschlusses zu sein schien, konnte ich sein Gesicht nicht sehen; aber ich prägte mir sein blondes Haar und seinen roten Schnurrbart ein, kehrte in meine Bastide zurück und nahm mir vor, den Mann in einem günstigen Augenblick näher zu betrachten.
    Ich gestehe, daß mich meine Neugier veranlaßte, mein Frühstück zu beschleunigen. Ich trieb auch Jadin, der meine Ungeduld nicht begriff , zur Eile und kehrte zum Strand zurück.
    Unsere neuen Diener waren nicht so weit vorgerückt wie wir: Wein vom Fort Lamalgue, Weißbrot und Käse waren für sie etwas Außergewöhnliches, etwas, das sie sonst gar nicht hatten, und so zogen sie den Genuß ihres Mahles in die Länge.
    Rossignol und sein Gefährte besonders schienen dieses Glück im höchsten Grad zu schätzen.
    Fügen wir hinzu, daß der Aufseher seinerseits menschlich genug war, es wie seine Untergebenen zu machen: Nur hatten seine Untergebenen eine Flasche für zwei, während er zwei Flaschen für sich allein hatte.
    Jener Gabriel war zwar von seinem Kettengenossen, der nicht auf das Mahl verzichten wollte, gezwungen worden, sich mit den andern zu setzen; aber in seiner menschenfeindlichen Stimmung schaute er ihnen nur verächtlich zu, wie sie speisten, ohne irgend etwas anzurühren.
    Als die Galeerensklaven mich erblickten, standen sie alle auf, obgleich ihr Mahl, wie gesagt, noch nicht verzehrt war; ich gab ihnen jedoch durch ein Zeichen zu verstehen, sie mögen beenden, was sie so gut angefangen, und ich würde warten.
    Der Mann, den ich sehen wollte, hatte keine Mittel mehr, meine Blicke zu vermeiden.
    Ich schaute ihn also in aller Ruhe an, obgleich er seine Mütze absichtlich, um dieser Prüfung zu entgehen, bis an die Augen gezogen hatte.
    Er mochte ungefähr achtundzwanzig bis dreißig Jahre alt sein; im Gegensatz zu seinen Nachbarn, auf deren roher Physiognomie man leicht die Leidenschaften lesen konnte, die sie an den Ort geführt hatten, wo sie nunmehr waren, hatte er eines von den verwasche-nen Gesichtern, bei denen man von einer gewissen Entfernung an keinen Zug erkennt. Sein Bart – es war ein Vollbart – war spärlich und von einer falschen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher