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Für Nikita

Für Nikita

Titel: Für Nikita
Autoren: Polina Daschkowa
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Jeep auf jeden Fall noch einmal gebremst
     – für den Kontrollschuß. Doch der Miliz-Mercedes kam mit heulender Sirene um die Ecke gerast, und da war es zu spät.
    Der Jeep jagte mit hundertzwanzig über den menschenleeren Leningrader Prospekt. Der Oberleutnant beorderte per Funk ein Einsatzkommando
     und einen Krankenwagen zum Sportgeschäft.
    An der Metrostation Sokol bog der Jeep quietschend in eine Gasse ab, die sich in drei Richtungen gabelte. Als der Milizwagen
     ein paar Augenblicke später um die Ecke bog, war die Gasse bereits leer.
    »Ein schwarzer Jeep ohne Kennzeichen«, meldete der Oberleutnant über Funk, »drei Personen.«
    Fünf Minuten später hielten vorm zersplitterten Schaufenster des Sportgeschäfts zwei Kleinbusse. Aus dem einen sprangen ein
     Arzt und ein Sanitäter des Notdienstes, aus dem anderen Einsatzleute der Miliz. Alle eilten zu der Person, die reglos auf
     dem Asphalt lag, mit Glassplittern bedeckt. Der Arzt hockte sich hin, stand sogleich wieder auf, sah die Umstehenden an und
     fragte spöttisch:« Wo ist denn die Leiche, Jungs? Hier ist keine.«
    Auf dem Asphalt lag eine Schaufensterpuppe.
    Der Notarztwagen raste davon. Die Leute von der Miliz untersuchten den Tatort und fanden vier leere Patronenhülsen von einer
     ausländischen Maschinenpistole, eine frische Zigarettenkippe Marke Chesterfield und sonst nichts als den üblichen Straßendreck
     unter einem Berg Glasscherben.
     
    Das Handy klingelte schon seit fünf Minuten. Veronika Sergejewna Jelagina streckte die Hand aus und tastete auf dem Nachttisch
     nach dem Apparat.
    »Wissen Sie, wie spät es ist? Halb fünf! Er schläft. Ja, ich weiß, daß Sie aus Moskau …« Sie wollte das Gespräch schon unterbrechen,
     doch ihr Mann sprang auf wie angestochen, riß ihr das Telefon aus der Hand und stürzte aus dem Zimmer, wobei er sich im Dunkeln
     den Kopf am Türrahmen stieß.
    »Verdammt … Ja. Was ist los?«
    Ihr Mann bemühte sich zwar, leise zu sprechen, doch an seiner Intonation, an seinem leichten Keuchen erkannte Veronika, wie
     nervös er war.
    »Wa-as? Idioten. Sie sollen sich zu ihm nach Hause scheren. Das Auto wechseln. Schnell. Dein Problem … Bis zurAmtseinführung muß das erledigt sein. Wie du meinst … Schluß.« Er beendete das Gespräch.
    Nika setzte sich auf und schaltete die kleine Wandlampe an.
    »Was ist passiert, Grischa?«
    »Alles in Ordnung, Nika. Schlaf weiter«, sagte er, als er das Schlafzimmer betrat. Sein Gesicht war rot und schweißnaß. Auf
     seiner Stirn zeichnete sich eine spitze lila Beule ab.
    »Warte, da muß Eis drauf.« Nika stand auf, zog einen Morgenrock über und ging in die Küche.
    »Nika, laß doch, geh schlafen«, sagte Grischa mit dumpfer, gleichgültiger Stimme und schlurfte mit schweren Schritten hinter
     ihr her. »Eis hilft da nicht.«
    »Grischa, was ist denn los mit dir? Was sind das für Anrufe mitten in der Nacht? Warum bist du auf einmal so nervös? Wer soll
     sich zu wem ›nach Hause scheren‹ und das Auto wechseln? Klingt ja wie ein Gangsterfilm.«
    Er stand dicht vor ihr. Seine Augen waren rot, entzündet.
    »Schöner Herr Gouverneur, mit einer Beule am Kopf.« Sie öffnete den Gefrierschrank und löste einen Eiswürfel aus der Form.
     »Morgen früh empfängst du die australischen Farmer, mittags ist das Meeting im Kombinat, und abends kommt der amerikanische
     Senator.«
    »Schmier mir einfach Make-up drüber.«
    »Ich werd’s versuchen.« Nika nickte und wickelte ein Taschentuch um den Eiswürfel. »Grischa, geht das, wenn ich nicht mitkomme,
     den Senator abholen? Wie heißt er noch? Dowley? Downley?«
    »Richard McDendley.«
    »Ach ja, richtig. Er hat uns vor anderthalb Jahren in Colorado empfangen. So ein Fetter mit Frauenstimme.«
    »Nein, Nika. Du mußt. Er kommt mit Gattin. Und anschließend gibt es ein Festkonzert und ein Abendessen.« Er ließ sich auf
     einen Stuhl fallen und hielt ihr die Stirn hin, damit sie die Eiskompresse auf die Beule legen konnte.
    »Na schön. Dann muß ich wohl. Aber was ist denn nun passiert?«
    Sie spürte: Sie hätte nicht fragen sollen. Die Wahrheit würde er ihr sowieso nicht sagen; er saß da, den Blick gesenkt, und
     suchte fieberhaft nach einer glaubhaften Erklärung. Sie steckte ihre Nase eigentlich nie in die Angelegenheiten ihres Mannes,
     aber dieser nächtliche Anruf mißfiel ihr sehr, auch Grischas Ton, die Worte, die er gesagt hatte, sein rotes Gesicht, die
     Schweißperlen und die herumirrenden Augen.
    »Das
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