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Fronttheater

Fronttheater

Titel: Fronttheater
Autoren: Heinz G. Konsalik
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läuft.
    »Lore«, flüstert Doelles heiser, »Kind …«
    »Ich bin kein Kind«, sagt sie fest und schließt die Augen unter seinem zuerst vorsichtigen, dann leidenschaftlichen Kuß …
    Am Vormittag dieses Tages bereiteten sich in Berlin Ereignisse vor, die auf das Leben der kleinen Theatergruppe entscheidenden Einfluß nehmen sollten.
    In Berlin merkte man in diesem Winter 1941 noch nicht viel vom Krieg. Für Leute mit guten Beziehungen war Berlin sogar eine außerordentlich angenehme Stadt.
    Kurt Planitz hatte ausgiebig und gut gefrühstückt, als er gegen zehn Uhr schnaufend die Treppe zu seinen Diensträumen empor stieg. Vor der Tür mit dem Schild
    Bereichsleiter Ost, PG Kurt Planitz
    blieb er einen Augenblick stehen, um seinen fliegenden Atem wieder zur Ruhe kommen zu lassen. Kurt Planitz war ein kleiner, untersetzter Mann von 43 Jahren und litt unter Herzverfettung.
    Mit entschlossenem, festem Schritt trat er dann in sein Zimmer, hängte den Mantel an die Garderobe, zog die Jackettärmel ein wenig in die Höhe, daß die frischen Manschetten zur Geltung kamen, und setzte sich hinter den breiten Mahagoni-Schreibtisch.
    Er hatte sich besonders sorgfältig angezogen. Heute war Montag, der allwöchentliche ›Miezenaufmarsch‹, wie Planitz es nannte. Jeden Montag um zehn Uhr inspizierte er die weiblichen Bewerberinnen für die Fronttheater seines Einsatzbereichs.
    Kurt Planitz zog einen kleinen Taschenspiegel heraus und kämmte sorgfältig seine wenigen Haare über die umfangreiche kahle Platte.
    »Elsa!«
    Elsa Konrad kam durch die Vorzimmertür, den Postordner unter dem Arm.
    »Morgen«, sagte sie kurz. Sie maß Planitz mit dem widerwillig vertrauten Blick einer langjährigen Sekretärin, der alle Illusionen verlorengegangen sind. »Die Post.«
    Planitz schob den Ordner beiseite. »Später«, sagte er gleichgültig. »Jetzt will ich erst mal unseren Nachwuchs unter die Lupe nehmen.«
    Elsa Konrad sah ihn aus den Augenwinkeln an.
    »Diesen Brief würde ich auf jeden Fall gleich lesen«, sagte sie mit Genugtuung und schob ihm einen engbeschriebenen Bogen vor die Nase. »Vom Herrn Einsatzleiter persönlich.«
    Planitz riß ihr das Papier aus der Hand: »… sind wir nach reiflichen Überlegungen zu dem Entschluß gekommen, die Klassikeraufführungen der Fronttheater in allen Einsatzbereichen sofort abzubrechen«, las Planitz. »Die Bereichsleiter sind gehalten, ihre Spielgruppen umgehend auf leichte Kabarettvorstellungen umzustellen.«
    »Mist«, stieß Planitz wütend heraus, als er das Papier mit einer heftigen Bewegung von sich schob.
    »Wie bitte?« fragte Elsa interessiert.
    »Bringen Sie mir die Personallisten meiner Gruppen«, fuhr Planitz sie an. »Und dann schicken Sie mir endlich die Miezen rein. Aber einzeln.«
    Die Ausbeute war ziemlich unergiebig: Mädchen, die sich beim Fronttheater vor dem Kriegseinsatz drücken wollten; die üblichen Fabrikarbeiterinnen und Dienstmädchen, die einen Drang nach den Brettern spürten; und eine Brigade alter, ausrangierter Tingeltangeldamen, die im Fronttheater ihre allerletzte Chance sahen.
    »Die letzten beiden«, meldete Elsa Konrad, als sie Planitz zwei Personalkarten auf den Tisch legte. »Sie bitten, zusammen eingesetzt zu werden.«
    Planitz richtete sich auf. »Ach nee! Die kommen gleich mit Extrawünschen an, was? Das haben wir gerne.«
    »Der Bruder des einen Mädchens ist Arzt in Rußland. Das andere Mädchen ist seine Verlobte.«
    »Wie rührend! – Was können sie denn?« fragte Planitz.
    »Tanzen und singen. Vor allem Steptanz und moderne Schlager. Gerade, was wir jetzt brauchen«, sagte Elsa Konrad mit Betonung.
    »Marika Rökk im Westentaschenformat«, spöttelte Planitz. »Na, dann lassen Sie die beiden mal aufmarschieren!«
    »Irene Berthold«, stellte sich eins der beiden Mädchen vor. Sie war groß, schlank, mit schulterlangem, schwarzem Haar, das locker um ihr schmales Gesicht fiel.
    »Und Sie?« wandte er sich an die andere.
    »Erika Nürnberg«, sagte sie. Erika war etwas kleiner und fülliger, mit hellen grünen Augen und brandrotem Haar.
    »Toll«, sagte Planitz mit einem anerkennenden Blick auf ihre sehr weibliche Figur. »Ich bin überzeugt, daß Sie überdurchschnittlich talentiert sind.« Seine Augen verengten sich. »Sie sind die Schwester dieses jungen Mannes in Rußland?«
    Erika schüttelte den Kopf. »Nein, ich bin mit Dr. Hans Berthold verlobt. Irene ist seine Schwester. Warum fragen Sie?« Sie zog die Augenbrauen hoch. »Stört es
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