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Fronttheater

Fronttheater

Titel: Fronttheater
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Stimme ist heiser, fast tonlos.
    Lore schüttelt den Kopf. »Nein, danke.« Sie lächelt ihn an.
    Doelles weicht ihrem Blick aus. »Ich kann Sie jetzt bald zurückbringen«, sagt er leise. Und er ist fast froh bei dem Gedanken, dieses Wesen im Gretchenkostüm bald los zu sein.
    Lore antwortet nicht. Sie beginnt ihre Zöpfe zu lösen. Ihr langes, blondes Haar schimmert matt im Licht der Kerzen.
    Doelles spreizt nervös die Hände. Die ruhige Selbstverständlichkeit ihrer Bewegungen rührt ihn und regt ihn auf.
    »Sie – Sie haben keine Angst vor mir, nicht?« fragt er stockend.
    Lore schüttelt lächelnd den Kopf. »Aber nein. Warum denn?«
    »Das ist schön«, sagt Doelles. »Das ist wirklich schön.« Er kniet sich vor den Ofen und bläst in die verglimmende Glut.
    Als er sich wieder umdreht, hat Lore sich auf seinem Bett ausgestreckt. Ihre Augen sind geschlossen, ihr Gesicht ist jetzt ganz entspannt und ruhig.
    Ein, zwei Minuten lang hockt Doelles vor dem Ofen und starrt zu dem schlafenden Mädchen hinüber. Dann zieht er behutsam seine Stiefel aus.
    Auf Zehenspitzen schleicht er zum Bett und beugt sich über Lore. Ihr Atem kommt in ruhigen, regelmäßigen Zügen. Ihre Zähne schimmern zwischen halbgeöffneten Lippen.
    Behutsam setzt sich Doelles neben Lore auf die Strohschütte. Als sein Kniegelenk bei der Bewegung leise knackt, hält er erschrocken die Luft an.
    Aber Lore wacht nicht auf. Ihr Gesicht bleibt entspannt und ruhig. Doelles kommt sich irgendwie gemein vor, als er das schlafende Mädchen betrachtet. Als ob er etwas Verbotenes täte. Und doch fühlt er eine nie gekannte Feierlichkeit dabei.
    Jupp Doelles ist gerade im Sitzen eingenickt, als der Donner wieder einsetzt. Sofort ist er hellwach und lauscht.
    Ob das die Russen sind oder unsere? fragt er sich.
    Ein Glück, daß unser Haufen gerade in Ruhe ist, denkt er zufrieden. Ich möchte jetzt nicht da liegen, wo der ganze Segen runterkommt.
    Lores Augenlider beginnen zu flattern. Sie stößt einen leichten Seufzer aus und dreht sich auf die linke Seite. Ihr Arm rutscht unter der Decke hervor. Behutsam deckt Doelles das Mädchen wieder zu.
    Eigentlich sollte ich sie in ihr Zimmer schaffen, überlegt Doelles. Aber er bringt es nicht fertig, sie aus dem Schlaf zu reißen.
    Er sieht in ihr klares, entspanntes Gesicht und horcht auf den leisen Donner der Geschütze in der Ferne.
    Aber plötzlich ist noch ein anderes Geräusch da. Ein dumpfes Dröhnen.
    Ganz leise zuerst, noch sehr weit weg. Aber von Sekunde zu Sekunde wird es lauter, steigert sich zu einem jaulenden Röhren, das dicht über das Dorf hinwegdonnert.
    Mit einem Aufschrei fährt Lore aus dem Schlaf und starrt mit weit aufgerissenen Augen um sich.
    »Sie schießen schon wieder!« schreit sie. Mit einem Ruck wirft sie die Decken von sich, will aufspringen.
    Jupp Doelles kann sie gerade noch festhalten und in seine Arme ziehen. »Keine Angst, Kindchen«, sagt er mit der väterlichen Überlegenheit des erfahrenen Frontschweins. »Sind doch bloß unsere Flieger. Stukas.«
    Lore nickt nervös und starrt in die flackernde Flamme der Kerze auf dem Tisch.
    Zwei, drei Ketten Stukas ziehen über das Dorf hinweg in Richtung Front. Das Dröhnen ihrer Motoren verliert sich im dumpfen Donnern des russischen Trommelfeuers.
    Lore atmet erleichtert auf und schließt die Augen. Erstaunt stellt sie fest, daß sie sich in Jupps Armen wohl fühlt, sicher und geborgen.
    Er ist so ganz anders als die Soldaten, die sie bisher kennengelernt hat. Viel zartfühlender und rücksichtsvoller. Und auf seine einfache, gerade Art ritterlich.
    Nicht einmal jetzt hat er die Situation ausgenutzt. Sie schielt nach seiner Hand, die sehr brav um ihre Taille liegt.
    »Sie sind ein furchtbar lieber Kerl, Jupp«, sagt sie leise und sieht zu ihm auf. Sie lächelt nicht. Ihre Augen sind dunkel, fragend.
    Doelles grinst verlegen und wird rot. »Wie kommen Sie nur da drauf?«
    »Darum«, antwortet Lore mit einem Blick auf seine Hand.
    »Ach so«, sagt Doelles verwirrt und zieht die Hand fast erschrocken noch ein Stück zurück. »Das ist doch nichts – ich meine – man kann doch nicht so einfach …«
    »Sie sind ein sehr anständiger, lieber Junge, Jupp«, sagt Lore leise. »Nicht nur deshalb.«
    Sie dreht sich ein wenig in seinem Arm. »Ich glaube, ich könnte Sie sehr gern haben, Jupp«, sagt sie dicht an seinem Gesicht.
    Doelles hält sie stocksteif in seinen Armen. Sie spürt das leise Zittern, das durch seinen Körper
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