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Fromme Wünsche

Fromme Wünsche

Titel: Fromme Wünsche
Autoren: Sara Paretzky
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aus seiner High-School-Zeit und zwei oder drei
Flaschen. Das Ganze war unschwer als sein eigenes Reich zu erkennen.
    Er nahm in dem großen Schreibtischsessel aus Leder
Platz und schob mir das danebenliegende marokkanische Sitzkissen zu. Hier in
seinem Refugium wirkte er gelöster, sein Gesicht nahm einen beinahe
entschlossenen Ausdruck an. Ich entsann mich, daß er Wirtschaftsprüfer war mit
einem eigenen Büro. Wenn man ihn zusammen mit Rosa sah, konnte man sich kaum
vorstellen, daß er ein paar Angestellte unter sich hatte, doch im Moment
erschien das nicht mehr ganz so abwegig.
    Er griff nach seiner Pfeife, und das übliche Ritual
aller Pfeifenraucher begann. Wenn ich etwas Glück hatte, war ich schon weg,
bevor sie endlich brannte. Rauchen macht mich krank, und bei leerem Magen - ich
war zu aufgeregt gewesen, um zu Mittag zu essen - konnten die Folgen
katastrophal sein.
    „Wie lange bist du schon Detektivin, Victoria?“
    „Ungefähr zehn Jahre.“ Ich schluckte den Ärger wegen
der Anrede „Victoria“ hinunter. Natürlich heiße ich so. Nur: Wenn ich wollte,
daß die Leute ihn benutzen, würde ich mich nicht überall mit meinen Initialen
vorstellen.
    „Und du kannst was?“
    „Naja - das hängt davon ab, worum es geht.
Möglicherweise bin ich die Beste, die du kriegen kannst... Ich habe eine Liste
bei mir, falls du auf Referenzen Wert legst.“
    „Ja, gut - nenne mir einen oder zwei Namen, bevor du
gehst.“ Er war immer noch mit seiner Pfeife beschäftigt. „Mutter ist in eine
Sache mit gefälschten Wertpapieren hineingeschlittert.“
    Tolle Phantasien schossen mir durch den Kopf: Rosa,
das geheime Haupt der Unterwelt von Chicago! Ich sah bereits die riesigen
Schlagzeilen im Herald-Star.
    „Was heißt hier hineingeschlittert?“
    „Man hat ein paar dieser Aktien im Safe des
Sankt-Albert-Klosters gefunden.“
    Ich seufzte innerlich. Albert legte es
offensichtlich darauf an, die Sache in die Länge zu ziehen. „Und sie hat sie
ihnen untergejubelt? Was macht sie überhaupt in diesem Kloster?“
    Jetzt wurde es spannend. Albert strich ein Zündholz
an und sog an der Pfeife, bis süßlicher blauer Dunst seinen Kopf einhüllte und
zu mir herüberwehte. Mir wurde übel.
    „Mutter führt dort seit über zwanzig Jahren die
Bücher. Ich dachte, du wüßtest das.“ Er machte eine kleine Kunstpause, um mir
Gelegenheit zu geben, Schuldgefühle wegen mangelnden Familiensinns zu
entwickeln. „Natürlich mußten sie sie beurlauben, als die Fälschungen entdeckt
wurden.“
    „Weiß sie etwas darüber?“
    Er zuckte die Achseln. Seiner Meinung nach wußte sie
von nichts. Ihm waren weder Art noch Anzahl der Papiere bekannt, noch konnte
er sagen, wann sie zuletzt überprüft worden waren oder wer sonst noch Zugang
zum Safe hatte. Der neue Prior wollte sie verkaufen, um mit dem Erlös das
Kloster zu renovieren.
    „Die Verdächtigungen haben ihr das Herz gebrochen.“
Er bemerkte meinen zweifelnden Blick und fügte beinahe entschuldigend hinzu: „Du
kannst dir natürlich nicht vorstellen, daß sie ein Herz hat, weil sie in deiner
Gegenwart immer erregt ist und lospoltert. Sie ist fünfundsiebzig, und sie hing
sehr an der Arbeit. Sie möchte, daß ihre Unschuld bewiesen wird, damit sie den
Posten wieder übernehmen kann.“
    „Ich nehme an, daß sich das FBI um die Sache
kümmert.“
    „Sicher. Aber die würden sie ihr liebend gern
anhängen, wenn sie sich's damit leichter machen könnten. Wer stellt schon gern
einen Geistlichen vor Gericht? Sie in ihrem Alter käme dagegen mit einer
Bewährungsstrafe davon.“
    Ich glaubte, nicht recht zu hören. „Aber Albert! Du
bist da nicht ganz auf dem laufenden. So könnte man allenfalls mit einem
armseligen Schwarzen von der West Side umgehen, aber nicht mit Rosa. Zunächst
kämen die bei ihr an die falsche Adresse. Und dann wird das FBI der Sache
natürlich auf den Grund gehen wollen. Kein Mensch dort würde glauben, daß eine
alte Frau die Chefin einer Fälscherbande ist.“ Immer vorausgesetzt, sie war es
nicht wirklich. Aber Rosa war wohl boshaft, doch keine Betrügerin.
    „Dem Kloster gehört aber ihre ganze Liebe“, brach es
aus ihm heraus. Er lief rot an. „Und irgend jemand könnte meinen, daß sie eben
doch mit der Sache zu tun hat. Du weißt doch, wie die Leute sind.“
    Nach einigem Hin und Her zog ich meinen
Standardvertrag in doppelter Ausfertigung aus der Tasche und bat Albert um
seine Unterschrift. Ich gewährte ihm Familienrabatt - sechzehn Dollar
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