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Freundin für Allie

Titel: Freundin für Allie
Autoren: M Cabot
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weiteren Fragen gab, bedankte sich Mrs Hunter bei mir und ich durfte an meinen Platz zurückgehen. Das war auch gut so, weil meine Knie mittlerweile so schlotterten, dass ich kaum noch stehen konnte. Ich war so erleichtert, mich endlich hinsetzen zu dürfen, dass ich fast auf meinen Stuhl
plumpste. Es war kaum zu fassen, wie schlecht meine Vorstellung vor der Klasse gelaufen war. Sie hatten gelacht! Alle! Und nicht etwa mit mir, sondern über mich.
    »Gut, Kinder«, sagte Mrs Hunter, »dann wollen wir mal mit dem Unterricht anfangen. Wir haben heute viel vor. Nehmt die Mathebücher und schlagt Seite 52 auf …«
    »Du warst gut!«, Erica beugte sich vor, um mir das zu sagen, während sie in ihrer Schultasche das Mathebuch suchte.
    »Fand ich eigentlich auch«, sagte ich. Ich blickte zu Rosemarie, während mein Pultdeckel hochgeklappt war. So konnte Mrs Hunter nicht sehen, dass wir redeten. »Ist die immer so?«
    »Eigentlich schon«, antwortete Erica. »Beachte sie gar nicht! Sie ist einfach nur gemein. Darum hat Mrs Hunter sie nach hinten zu den Jungen gesetzt.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Wie meinst du das?«
    Erica zeigte mit dem Finger nach hinten. »Siehst du Mrs Hunters Pult dort hinten?«
    Ich entdeckte, dass Mrs Hunters Pult tatsächlich hinten stand anstatt vorne neben der Tafel.
    »So kann Mrs Hunter bei der Stillarbeit die wildesten Jungen im Auge behalten«, erklärte Erica. »Aber wenn Mrs Hunter vorne ist und unterrichtet, soll Rosemarie hinten aufpassen. Die Jungen haben Angst vor ihr, weil sie so gemein ist. Außerdem ist sie größer und stärker als die Jungen.«
    »Ist sie sitzen geblieben?«, fragte ich.
    »Nein, das liegt bei ihr in der Familie«, sagte Erica. »Ihr
Vater ist Football-Trainer an der Uni, ein Zweimetermann, der 136 Kilo wiegt.«
    »Oha«, sagte ich. »Das erklärt einiges.«
    Meine Eltern arbeiten auch an der Uni, aber mein Vater lehrt Informatik und meine Mutter berät Studenten. Sie sind keine Sporttrainer und haben Normalgröße.
    »Allie.« Mrs Hunters Stimme drang über meinen Pultdeckel an mein Ohr. Ich senkte den Deckel, damit ich sie sehen konnte. Sie schaute mich geradewegs an!
    »Jetzt haben wir Mathe«, sagte Mrs Hunter. »In meiner Klasse werden Privatgespräche nur in der Pause geführt.«
    Das konnte doch nicht wahr sein! Ich war beim Schwätzen erwischt worden! Und das an meinem ersten Tag! Ich spürte, wie mir vor Scham die Röte ins Gesicht stieg. Rasch holte ich mein Mathebuch hervor und schloss mein Pult superleise, um nicht noch mehr aufzufallen. War das schrecklich! Ob Mrs Hunter mich jetzt noch mochte? Hoffentlich doch. Sie war so hübsch und so nett zu mir gewesen. Bis eben jedenfalls.
    Ich wusste natürlich, dass man im Matheunterricht nicht schwätzen soll, sondern in der Pause. Schließlich war ich in meiner alten Schule eine Einser-Schülerin gewesen. Noch nie hatte ich im Unterricht mit meiner Banknachbarin gequatscht. Ich weiß, das klingt kindisch, aber am liebsten hätte ich geweint. Es war so peinlich, am allerersten Tag Ärger zu bekommen!
    Ich wollte die richtige Seite im Mathebuch aufschlagen,
aber ich konnte mich nicht erinnern, was Mrs Hunter gesagt hatte. Ich sah zu Erica, um herauszufinden, auf welcher Seite wir waren, aber sie schien das gleiche Problem zu haben wie ich – sie hatte ja auch geredet, anstatt aufzupassen.
    Da merkte ich, dass Sophie in der Reihe vor uns ihr Mathebuch sehr hoch hielt. Warum hielt sie denn ihr Mathebuch so hoch? Endlich kapierte ich, warum – damit ich sehen konnte, dass wir auf Seite 52 waren! Oh, danke, Sophie Abramowitz! Vielen Dank!
    Während ich Seite 52 aufschlug, fragte Mrs Hunter bereits: »Wer weiß die Lösung für Aufgabe Nummer vier?«
    Schnell las ich die Aufgabe durch: Rashid hat achtundachtzig Cent in sechs Münzen. Welche Münzen hat er, wenn jede einmal vorkommt?
    Dafür brauchte ich genau eine Sekunde.
    »Oh«, rief ich und zeigte auf.
    Mrs Hunter, die schon Caroline drannehmen wollte, die ebenfalls aufgezeigt hatte, wirkte überrascht. Dann sagte sie: »Ja, Allie?«
    Ich nahm die Hand runter und antwortete: »Ein Fünfzig-Cent-Stück, ein Zwanzig-Cent-Stück, ein Zehn-Cent-Stück, ein Fünf-Cent-Stück, ein Zwei-Cent-Stück und ein Ein-Cent-Stück.«
    »Das ist richtig, Allie«, sagte Mrs Hunter mit einem Lächeln.
    Erleichterung durchflutete mich. Ich hatte eine Antwort gewusst.
Na gut, mein erster Tag hatte schrecklich begonnen. Ein gemeines Mädchen, das viel größer war als ich, fand
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