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Fremdes Licht

Fremdes Licht

Titel: Fremdes Licht
Autoren: Nancy Kress
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Gelächter
– wenn ich nicht aufhöre, schnappe ich noch über
– wie von dem Kampf, wich in den Schutz der Felsbank
zurück.
    Die Jelitin säbelte und schrie. Sie kappte zwei Schlingen von
ihrem rechten Bein, derweil sich eine weitere um ihre linke Fessel
wand. Um diese Ranke zu durchtrennen, hätte sie sich bücken
und den Kampfarm gefährlich tief ins Gras bringen müssen,
wo sich weitere Ranken krümmten. Daher verwandte sie alle Kraft
darauf, sich gegen die Ranke zu stemmen und ihren Zugriff zu
schwächen, wobei sie versuchte, allmählich aus der Savanne
auf das Felsplateau zu entkommen. Aber sie hatte sich verrechnet.
Während sie ihre Aufmerksamkeit Ayrid gewidmet hatte, hatte sich
die erste Kemburi, durch die Körperwärme der Beute erregter
denn je, der Jelitin nähern können, und diese geriet durch
das Rückzugsgefecht tiefer in ihre Reichweite. Eine armdicke
Ranke, die grauen Haare vom Mondlicht versilbert, wickelte sich
unversehens um die Hüften der Jelitin.
    Die Jelitin hielt inne, das Kinn ins Licht gereckt, das Gesicht so
weiß wie im Schock erblindete Glasschmelze, jeder Zug von
gläserner Klarheit und Härte. Nur einen Augenblick lang,
dann kämpfte sie verbissen weiter, wich weiteren Schlingen aus,
führte das Messer kraftvoll und präzise, wobei sie mit
herrlichen Reflexen den Tentakeln auswich, die nach der Wärme
von Kampfarm und Gesicht tasteten. Nur einen Augenblick lang, doch
Ayrid hatte die gläserne Starre dieses Augenblicks am eigenen
Leib gespürt – das kann nicht wahr sein. Übelkeit, kalter Schweiß, die flüchtige
Schwärze der Ohnmacht – aber nein, das war ihr eigener,
drei Tage alter Schock, der ihr noch in den Gliedern saß; das
hier war der Schock dieser Jelitin. Doch ehe ihr benommener Verstand
die beiden Augenblicke säuberlich getrennt hatte, hatte ihr Arm
schon ausgeholt, wie er es vor drei Tagen nicht gewagt hatte, und
schleuderte das vermeintliche Messer gegen die Angreifer.
    Blaues Glas wirbelte auf die Kemburi zu.
    Die Flasche, schlank am Stöpsel und dick an der Basis,
beschrieb einen launischen Weg, zerplatzte an einem Stein und
verspritzte eine klare Flüssigkeit. Augenblicklich verbreitete
sich ein scharfer Säuregeruch. Die Kemburi stieß einen
grellen Pfiff aus, einen einzelnen, untierischen Laut von Gasen, die
zischend entwichen, um die beißenden Dämpfe abzuwehren,
und ließ die Jelitin los. Diese war mit einem Satz auf der
Felsbank, packte Ayrid um die Taille und wälzte sich mit ihr auf
den Fluß zu, bis sie außer Reichweite der wild
peitschenden Ranken waren. Die gepeinigte Kemburi stieß noch
einmal diesen Pfiff aus und dann, nachdem sie soviel
Säuredämpfe wie möglich fortgeblasen hatte, zog sie
ihre zuckenden und verätzten Tentakeln in das zentrale
Knäuel zurück. Im Nu hatte sie sich ins hohe Gras
verkrochen.
    Auf dem Felsgestein kam kullernd ein blauer Flaschenhals zur
Ruhe.
    Ayrid lag ganz benommen da. Die Jelitin sprang zurück. Als
sich Ayrid schließlich aufsetzte und auf die düstere
Trennlinie zwischen Felsgestein und Savanne starrte, stand die
Jelitin auf der anderen Seite des Feuers und starrte auf das Messer
in ihrer Hand, Ayrids Messer. Als sie den Blick hob, sprach schiere
Verblüffung aus ihren Augen, und mit einemmal gewahrte Ayrid,
wie jung die Jelitin war.
    »Das ist ein Fleischmesser!«
    Ayrid schwieg.
    »Ein Messer zum Schneiden, Delysier. Was willst du
denn hier mit einem Schneidemesser anfangen, hm?«
    Jenes heulende, entsetzliche, gallige Lachen zupfte wieder an
Ayrids Verstand.
    »Ich habe gefragt, was du hier mit einem Fleischmesser
willst!«
    »Fleisch schneiden«, sagte Ayrid und stieß das
schreckliche Lachen beiseite und widerstand der Versuchung, sich die
Ohren zuzuhalten. Vor einem Zehnzyklus war die Flasche aus dem
Glasofen gekommen: Embri hatte aufgeregt an dem Kühlbrett
gezerrt, war mit einem zufriedenen, schmutzigen Fingerchen den
Buckeln des blauen Glasbauchs gefolgt und hatte die Aufmerksamkeit
der anderen Frau im Glashof auf die kindliche Form gelenkt. Und sie,
Ayrid, hatte Embris Flasche soeben zerschmissen, in hirnloser Panik
und zum Vorteil der jelitischen Kriegerin, die jetzt offensichtlich
die Verbitterung in Ayrids Miene mit trotziger Tapferkeit
verwechselte.
    Die beiden Frauen musterten einander über das Feuer
hinweg.
    Die Jelitin war viel jünger als Ayrid – fast noch ein
Mädchen; sie mußte eine glänzende Kriegerin sein,
wenn sie so jung schon einen gestickten Tebel trug. Sie war
schön. Glatte
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