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Fremde Wasser

Fremde Wasser

Titel: Fremde Wasser
Autoren: Wolfgang Schorlau
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da gewisse Probleme, es gab drei
     Todesfälle, dann hätte ich doch mit mir reden lassen, ich wollte doch niemandem etwas zuleide tun. Dann hätte man das ausbügeln
     können, aber so ... Gleich mit der Polizei eine Hausdurchsuchung, wie bei einem Terroristen? Das war damals eine schwere Zeit
     für mich. Die Presse,Annette, die mich verließ, dazu das Gefühl, das Oberschwein der Nation zu sein, dabei, und das sag ich hier noch einmal, ahnte
     ich nicht, dass die chinesischen Dinger nicht so sauber arbeiten, ich meine, die kopieren doch sonst alles so sauber, die
     Chinesen, wieso dann nicht auch Herzklappen.
    Hätte man damals mit mir geredet, in aller Ruhe, wäre alles wieder gut geworden, und eine Menge Leute würden heute noch leben.«

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    Hauptversammlung
    Stefan C. Crommschröder kneift die Augen zusammen. Er wundert sich, dann steigt Ärger in ihm auf und schließlich – wieder
     einmal – Bewunderung. Woher nimmt sie den Mut, hier zu erscheinen? Und woher den Stolz, so aufrecht dazustehen?
    Er hat sie lange nicht mehr gesehen. Ein Jahr? Zwei Jahre? Keine Ahnung. Zum Schluss einer der üblichen Kräche. Dann Funkstille.
     Er merkt nicht, dass er lächelt. Für einen Augenblick vergisst er die Kamera, die die Mitglieder des Vorstandes überlebensgroß
     auf die Leinwand hinter ihm zeichnet.
    Dr. Landmann, der Aufsichtsratsvorsitzende, im ganzen Konzern gefürchtet wegen seines entsetzlichen Mundgeruchs, gibt ihr
     Mikro frei. Die Kameras fangen ihr Bild ein. Sie sieht gut aus.
    »Meine Frage geht an Dr. Stefan Crommschröder«, sagt sie. Natürlich. Das war zu erwarten.
    Immerhin nennt sie ihn nicht Steff.
    Alle Augen am Vorstandstisch richten sich auf ihn. Auch der Aufsichtsratsvorsitzende schaut zu ihm. Crommschröder atmet langsam
     aus und blickt wieder auf das andere Ende der Halle. Er unterdrückt den Impuls, sich die Augen zu reiben. Aber es gibt keinen
     Zweifel. Die Frau, die dort vor dem Mikrophon steht, ist Karin. Seine Schwester.
    »Herr Dr. Crommschröder«, sagt sie nun, und ihre Stimme klingt völlig ruhig und trotz der zahlreichen Lautsprecher nahezu
     vertraut. »Sagen Sie mir: Was ist das für ein Gefühl? Überall, wo Ihr Unternehmen tätig wird, sind die Menschen beunruhigt,
     sie schließen sich zu Bürgerinitiativen zusammen, es gibt Demonstrationen, und sie wehren sich gegen Ihre Firmenpolitik. Überall
     auf der Welt. Wie geht es Ihnen dabei?«
    Crommschröder hasst sie im gleichen Augenblick. Er hasst dieses Argument. Es markiert ihn wie ein Brandzeichen. Joseph Waldner,
     der einzige Österreicher im Vorstand, bringt es bei jeder denkbaren Gelegenheit vor: Dr. Crommschröder ist sehr erfolgreich,
     aber er bringt die halbe Welt gegen uns auf. Unser Image leidet unter seinen Methoden.
    Karin tritt nicht ab, wie die Fragesteller vor ihr, sondern sie bleibt vor dem Mikrophon stehen. Crommschröder kneift erneut
     die Augen zusammen, um sie auf der gegenüberliegenden Seite der Kongresshalle besser zu sehen. Dr. Landmann schlägt mit der
     linken Hand auf den weißen Knopf, der ihr Saalmikrophon abschaltet. Crommschröder sieht, dass er wütend ist. Landmann nestelt
     an seinem Mikro. Er verabscheut die kritischen Kleinaktionäre, die auf Hauptversammlungen unbequeme Fragen stellen.
    »Liebe Frau ... Sie haben sich leider nicht vorgestellt«, sagt er, »unsere Geschäftsordnung sieht Fragen nach der Befindlichkeit
     der Vorstandsmitglieder nicht vor. Wir befinden uns hier auf einer Hauptversammlung und nicht in einer therapeutischen Veranstaltung.
     Die Herren sollen lediglich unseren Wohlstand mehren. Wenn sie sich dabei gut fühlen – umso besser.«
    Crommschröder weiß nicht, was ihn reitet. Er steht auf und gibt Landmann ein Handzeichen. Er will reden. Vielleicht weiß er,
     dass sie sich von Landmann nicht so leicht abfertigen lassen wird. Mit einigen schnellen Schritten steht er am Rednerpult.
     Er wartet. Aus den Augenwinkeln erkennt er, dass die Kamera seine Gestalt eingefangen hat und auf die Leinwand hinter ihm
     projiziert. Er wartet noch einige Sekunden. Bis es still ist in der Halle. Er ist Profi. Er weiß, wie man sich ein Auditorium
     unterwirft. Er genießt es, dass auch seine Kollegen vom Vorstandstisch zu ihm herüberschauen. Dr. Kieslow, der Vorstandssprecher,
     sieht ihn nachdenklich an. Joseph Waldner, sein Konkurrent, der den Geschäftsbereich Energiewirtschaft führt, spielt mit einem
     Kugelschreiber.Soll er ruhig nervös werden, dieser Österreicher
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