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Frederikes Hoellenfahrt

Frederikes Hoellenfahrt

Titel: Frederikes Hoellenfahrt
Autoren: Henner Kotte
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schrie.
    »Schnauze!« Catwoman schlug ihr mit der Pistole zwischen die Zähne. Frederike spürte einen harten Brocken auf ihrer Zunge. Hoffentlich war nur ihr Zahnersatz gebrochen. Aber eigentlich war das auch egal, wenn nur nichts Schlimmeres passierte. Aber Kain kam nicht. Sie biss sich auf die Zunge, um nicht weiter zu schreien.
    »Ruhe und keine Bewegung!«
    Catwoman suchte sich ein anderes Ziel. Ein Bodybuilder mit krausen Locken und mächtigen Muskeln hatte sich am eigenen Speichel verschluckt. Seine Freundin klopfte ihm auf den Rücken.
    »Wage nicht, daran zu denken! Meine Kugel ist schneller!«
    Catwoman hatte das Husten als Ablenkungsmanöver interpretiert und nahm den kräftigen Mann ins Visier. Unter diesem Blick ging dem förmlich die Luft aus. Er sackte zusammen wie ein Fallschirm bei der Landung. Die Finger der Freundin krampften sich in den Bizeps ihres Begleiters. Das Lächeln des Helden missglückte.
    »Du Dämlack, vielleicht kommste mal her. Hinten ist auch noch ’ne Tür!«
    Superman hatte den zweiten Ausgang vergessen und neben dem Eingang Stellung bezogen. Er entschuldigte sich und verriegelte auch die Tür zum Garten.
    »Zu hell ist es auch! Wir geben hier keine Show!«
    Draußen klebten immer mehr Gesichter an den Scheiben, mancher drückte die Klinke. Keiner erkannte den Ernst ihrer Lage. Wahrscheinlich hielten sie es für einen Filmdreh. Frederike drückte den Schalter in ihrem Rücken. Der Waschsalon lag im Dunklen, nur auf den Tischen brannten noch Kerzen. Masken und Gäste gerieten zu diffusen Schatten. Man sah sie nicht, man erahnte sie. Frederike lag wirklich ein Zahn auf der Zunge. Sie spuckte ihn aus. Er klirrte im Becken. Catwoman fühlte sich kurz irritiert.
    Die Gesichter vorm Fenster schienen immer mehr zu werden. Sie glotzten herein, lachten und schnitten Grimassen. Es war Wochenende, sie hatten Freizeit und gute Laune. Sie konnten nicht ahnen, dass sie hier drinnen ums Leben bangten. Bitte, flehte Frederike stumm in ihre Richtung, bitte, ruft die Polizei! Superman und Catwoman würden auch auf sie schießen! Holt Hilfe, bevor es Tote gibt! Bitte! Einer vorm Fenster hob ihnen die Bierflasche entgegen.
    »Schlampe, zieh die Rollläden runter!«
    Frederike wusste nicht, ob dieser Befehlston ihr gegolten hatte. Aber sie ging zum Schalter neben der Tür. Die Gesichter vorm Fenster winkten ihr zu. Sie spürte die Pistolen im Rücken. Noch niemals war ihr der Weg von der Theke zur Tür so weit erschienen.
    Die Rollläden nahmen den Sensationsgierigen endgültig die Sicht. Frederike fuhr mit der Zunge in die Lücke zwischen ihren Zähnen. Sie schmeckte Blut. Catwomans Pistole gab ihr das Zeichen, näherzutreten.
    Verdammt, wo blieb denn nur Kain?

22:10
     
    Der Bullen größtes Glück auf Erden ist ficken und gefickt zu werden. Kain wusste, dass nicht Tiere damit gemeint waren. Wahrscheinlich galt die Zeile ihm. So banal fand er sie gar nicht. Und auch heute fuhr er mit dem Lappen drüber, aber der Klospruch wurde kaum blasser. Als Bulle war er oft genug gefickt worden. Er sah sich bei Major Hosfeld während der Ausbildung über die Sturmbahn laufen. Da ist meine Oma ja schneller! Verdammt, Polizist wollen Sie werden! Er erinnerte sich an seine ersten Einsätze als Assistent von Hauptmann Ehrlicher. Immer mit der Ruhe, junger Mann! Er hörte den bayerischen Vorgesetzten samt seinem Dackel im Dresdner Polizeipräsidium bellen. Mit dem sozialistischen Schlendrian ist’s jetzt vorbei! Und er war froh, dass er die Ausraster und Inkompetenz des Kriminaldirektors Konstantin Miersch nicht mehr ertragen musste. Einmal Bulle, immer Bulle, hatte Walter gesagt, doch Kain wurde sich mit der Zeit immer sicherer: Seine Kündigung des Polizeidienstes war die richtige Entscheidung gewesen. Unter Frau Hauptkommissarin Agnes R. Schabowski hätte er niemals Dienst tun wollen. Apropos: Der Bullen größtes Glück auf Erden … Privat lief es bestens. Eine andere Frau als Eva konnte er sich auch außerhalb des Bettes nicht mehr vorstellen. Und für Felix empfand er fast wie ein Vater. Du bist sesshaft geworden, lächelte Bruno. Kains Mutter hatte den Sohn schon verloren gegeben. Endlich, mein junge, ich hatte schon gedacht, ich musste auf Enkel für immer verzichten. Und sie hatte Felix einen Riesenteddy geschenkt und bereits ein Sparbuch auf seinen Namen angelegt.
    Der Bullen größtes Glück auf Erden ist ficken und gefickt zu werden. Jetzt wischte Kain in Frederikes Waschsalon die Pissbecken sauber.
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