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Frederikes Hoellenfahrt

Frederikes Hoellenfahrt

Titel: Frederikes Hoellenfahrt
Autoren: Henner Kotte
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menschliche Körper reagierte zu seinem Schutz auf manch verblüffende Weise. Unbedingte Reflexe, wusste er, sind nicht beeinflussbar, sie passieren. Gefäße schließen sich bei großen Wunden. Amnesien verdrängen schlimmste Bilder. Man handelt unbewusst und trifft die richtigen Entscheidungen. Angehört hatte sich Frederike, als wäre sie wahnsinnig geworden. Hoffentlich war sie es nicht. Wie sie so dalag, sprach weder dafür noch dagegen. Kain musste einen Arzt nach der Diagnose fragen. Er musste wissen, wie es um Frederike stand.
    Wenn sie den Verstand verloren hatte, war es dann besser, sie koppelten sie von den Apparaten ab und ließen sie sterben? Er könnte, wollte und würde diese Entscheidung nicht treffen. Was würde Bruno sagen, wenn er Frederike so daliegen sah und um ihre Zukunftschancen wüsste.
    Bruno. Kain glaubte, ihm nie wieder begegnen zu können. Kain hoffte, dass er nicht fehlgehandelt hatte. Aber da lag Frederike und bewies, dass er Schuld trug. Er hätte sie retten müssen, nicht sich. Er hätte ihr einen Weg bahnen müssen und nicht bei erster Gelegenheit aus dem Fahrzeug springen sollen. Es war nicht seine erste Möglichkeit zur Flucht gewesen. An der Grenze zur Tschechien, als sie den Fahrerplatz wechselten, da hätte seine Chance bestanden, aus dem Auto zu hechten. Er hatte es nicht getan. Er konnte Frederike nicht allein in den Händen dieser Verbrecher lassen. In Prag waren sie manchmal förmlich über die Straßen geschlichen. Er hätte die Verrieglung lösen und nach draußen springen können. Er hatte es nicht getan. Beim Tanken. An den Grenzen. Er hatte gewartet. Bei den Lkws mit den Planen schien ihm die Möglichkeit endlich gekommen. Er hatte Frederike noch zugebrüllt Raus! Frederike! Raus! Jetzt!
    Frederike war mit ihren Gedanken woanders gewesen. Sie hatte ihn nicht verstanden. Jetzt lag Frederike zwischen Schläuchen und starb. Kain liefen die Tränen. Er schlich zur Tür und öffnete sie. Sofort sprang die Schwester vom Stuhl und lief ihm entgegen.
    »Hier herein dürfen Sie nicht!«
    Und ihre Hände drängten ihn zurück auf den Flur. Kain hatte nicht die Kraft, um an ihr vorbeizugehen. Er blieb stehen und nahm ihr Gesicht in seine Hände. Die Schwester blickte erschrocken.
    »Lebt sie? Sagen Sie mir, wird sie leben?«
    Die Mundwinkel der Schwester versuchten zu lächeln. Es gelang professionell. »Sie lebt. Mehr kann ich nicht sagen.«
    »Aber wie stehen die Chancen?«
    »Da müssen Sie einen Arzt fragen. Ich kann Ihnen diese Auskunft nicht geben.«
    »Sagen Sie mir, …«
    Kain konnte keine weiteren Fragen stellen, eine feste Hand hatte ihn zur Seite geschoben. Die Autorität in Person: Offizier und Arzt. Die Stimme des Mannes begann zu säuseln. »Aber Herr Kain, Sie gehören ins Bett. Sie brauchen Ruhe nach allem.« Er lächelte wie der Holländermichel im Eiskalten Herz. » Schwester, bringen Sie den Patienten ins Bett.«
    Die Schwester trat auf ihn zu, aber erreichte ihn nicht. Ehrlicher stellte sich ihr in den Weg. Wie kam denn Bruno auf einmal hierher?
    »Du gehörst ins Gefängnis! Du hast sie auf dem Gewissen! Ich hoffe, es lässt dich nie wieder schlafen!«
    »Aber Bruno!«
    »Ich will dich nie wieder sehen! Hau ab! Verschwinde aus meinem Leben!«
    »Aber Bruno!«
    Bruno drehte sich um und stürzte ins Zimmer zu Frederike. Weder Schwester noch Stabsarzt hatten etwas dagegen. Bruno stellte sich ans Ende des Bettes und senkte den Kopf. Es sah aus, als würde er ein Bettlaken küssen.
    Kain war schlecht. Die Schwester fasste ihn unterm Arm. »Alles wird gut, Herr Kain, Sie werden es sehen. Noch drei Tage und sie sind wieder voll auf den Beinen.«
    »Ich bin kerngesund!« Kain riss sich los. Die Schwester ließ es geschehen, war solche Reaktionen wahrscheinlich gewöhnt. Er musste mit Bruno sprechen, sich aussprechen. Unbedingt! Jetzt! Er musste es ihm erklären. Natürlich konnte Ehrlicher ihn nicht begreifen. Für ihn musste es wie eine Flucht vor der Gefahr wirken. Auch er selbst hatte in schwachen Minuten diesen Eindruck. Aber er hatte nur das Beste gewollt.
    »Bruno! Bruno, lass dir erklären.« Sein Schrei hallte über den Flur. Der Arzt nickte. Verstärkung stürmte heran und nahm ihn in den Griff. Er konnte sich nicht mehr bewegen. Bruno saß an Frederikes Bett und bekam gar nichts mehr mit. Die Schwester rannte und kam mit einer Spritze zurück. So hatte er sich den Alltag im Irrenhaus vorgestellt. Die Schwester stach zu.
    Kain sah das Gesicht seines Kollegen
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