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Frederikes Hoellenfahrt

Frederikes Hoellenfahrt

Titel: Frederikes Hoellenfahrt
Autoren: Henner Kotte
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versprach alles. Sie ließ sich gerne verführen.
    Ein Blick zur Uhr. Gleich halb sieben. Sie musste nicht raus. Es war Sonntag, sie hatte frei. Sie konnte wieder ins Bett gehen und konnte doch nicht schlafen. Scheiße! Sie ging in die Küche und öffnete den Kühlschrank. Gestern Abend hatte sie überlegt, dass sie morgens zum Bäcker gehen würde. Frühstück im Bett, französisch: Café au lait, Croissants. Sie hätten im Bett gegessen. Ihr Kühlschrank war leer.
    Vitali und sie waren die Treppen nach oben gestiegen. Ihr Lachen im Treppenhaus würde heute bei den Nachbarn Gesprächsstoff sein, wie ihr Schreien. Keine zehn Minuten hatte es gedauert, dass sie ihn so satt hatte. Raus! Mache dich raus! Ich will dich nie wieder sehen! Nie wieder! Sie hätte ihn schlagen mögen, sie war zutiefst enttäuscht. Sie hatte hinter ihm die Tür ins Schloss geknallt. Es musste auf der Straße zu hören gewesen sein.
    Vitali hatte ihr den BH, hellblau, Halbschalen, Spitzenbesatz, genau an der bewussten Stelle geöffnet. Agnes Schabowski war ins Bett gesunken. Mach mit mir, was du willst! Vitali hatte vor ihr als Geschäftsmann gestanden und um Vorkasse gebeten. Schabowski begriff nicht. Was wollte Vitali? Vorkasse? Was sollte das sein?
    Vitali verlangte zweihundert Euro für ihr Vergnügen. Und er sagte, Sonderpreis, sonst seien seine Tarife wesentlich höher. Weil du mir wirklich gefällst, kleine Agnes! Sie musste ihn angeschaut haben, als sei sie debil. Die Erkenntnis kam langsam, sie kroch ihr über den Rücken in den Kopf. Agnes Schabowski schauderte. Vitali war ein Callboy, ein Gigolo, war eine Hure. Sie hätte es wissen müssen! Natürlich! Er stand im BARocko hinter der Bar. Patricia Thede hatte Georgieff zu Liebesdiensten verpflichtet. Warum nicht auch Vitali?
    Augenblicklich war Agnes Schabowski eiskalt. Raus! Sie hatte ihn vor sich her geschoben, er hatte sich nicht gewehrt, sondern seine Hände gehoben. Raus! Ich will dich nie wieder sehen! Vitali war gegangen. Sie war hinter der Tür zu Boden gerutscht und hatte geheult. Sie fand Campari. Sie fand Orangensaft. Sie hatte den Tetrapack gar nicht geöffnet. Die Flasche Campari war leer.
    Schabowski würde wieder zu schlafen versuchen. Sie nahm von der Teemischung Sommernight Dreams. Sie brühte sie auf und schaltete ihren Computer auf On. Wirklich: Mike64 war gerade im Chat. Auch so allein? Die Antwort kam prompt. Schön, dass du da bist.

7:20
     
    Er hatte es zufällig erfahren. Das medizinische Personal hatte sich über Frederike unterhalten. Er stand daneben und hatte ihren Namen gehört. Sie sprachen von schwierig, stabilisieren, Kreislauf. Ein Pfleger sprach flüsternd mit einigen Schwestern. Frederike lag zwei Abteilungen weiter im Krankenhauszelt. Er hatte sich aus seinem Zimmer geschlichen und nur kurz nach ihr sehen können. Sie lag versunken in weißen Laken. Schläuche verließen das Bett in jede Richtung. Ständer mit Flüssigkeitsbeuteln standen daneben. Überhaupt sah es aus, als läge sie in der Bodenstation einer Raumschiffsteuerung. Außerirdisch.
    Kain kamen Tränen. Aber dass Frederike so dalag, machte auch Hoffnung, wenn auch nicht viel. Sie war am Leben! Die Ärzte sahen noch Chancen, hatten sie nicht aufgegeben. Eine Schwester umsorgte sie, zupfte am Betttuch und streichelte ihr über die Wangen. Verzeih, Frederike! Er kniff sich zwischen die Augen, der Alptraum hatte kein Ende.
    Kain wusste nicht, ob Polizei oder deutsche Soldaten den Fluchtwagen gestürmt hatten. War Frederike in einem Schusswechsel verletzt worden? War das Auto von der Fahrbahn abgekommen, hatte es einen Unfall gehabt? Kain traute sich nicht zu fragen, außerdem wusste er nicht, wen. Das Personal, das ihn betreute, gab keine Auskunft, konnte wahrscheinlich keine geben. Er war Patient, sie keine Polizisten. Aber Frederike lebte.
    Doch die Angst blieb, zehrte an Selbstbewusstsein und Psyche. Selbst wenn die Ärzte Frederike das Leben retteten. Blieb sie die Frederike, die er kannte? Die gütige, aufmerksame, warmherzige? Stets hatte sie sich um andere gesorgt. Immer war sie für ihn, für Bruno da gewesen, hatte sich sämtlichen Mist von ihrer Arbeit angehört, hatte Rat gewusst und ihnen das Bier hingestellt. Sie hatte im Auto endlos vor sich hin gesprochen. Meist war es kaum verständlich gewesen. Kain konnte nicht unterscheiden, ob sie den Verstand verloren hatte oder den Gangstern etwas vorgespielt hatte. Vielleicht war es Frederike selbst gar nicht bewusst, was sie tat. Der
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