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Frederikes Hoellenfahrt

Frederikes Hoellenfahrt

Titel: Frederikes Hoellenfahrt
Autoren: Henner Kotte
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schmerzte. Kein Glied mochte Schabowski bewegen. Sie hatte keine vier Stunden geschlafen. Sie schluckte den bitteren Geschmack von zu viel Wodka hinunter.
    Vitali Kreuzpointner hatte im Café gesessen. Hinreißend sah er aus. Leger gekleidet. Das geöffnete Hemd ließ den Blick auf seine Männerbrust frei. Das Lächeln bezaubernd. Und dieser Mann war mit ihr verabredet, mit ihr, Schabowski! Dafür würde sie auf alle Mike6 4 der Welt verzichten, nie wieder mailen würde sie ihm. Mike64 würde eine einsame Randnotiz in ihrem Leben bleiben. Sie war mit Vitali Kreuzpointner, Student der Physik, verabredet. Er lud sie mit großer Geste ein, neben ihm Platz zu nehmen. Schabowski streifte die Pumps ab und hockte sich zu Vitali auf die Liegewiese. Er hatte die Lokalität bestens gewählt, wenn man beim Speisen in aller Öffentlichkeit zwischen Kissen lag, versprach der Abend viel.
    »Ich freue mich.«
    Sein Timbre verursachte ihr Gänsehaut. »Ganz meinerseits«, hatte sie gestammelt, »ich freue mich wirklich.« Dann kniete sie an seiner Seite nieder. Er bestellte eine kleine Platte Sushi.
    Jetzt verdammte Schabowski den gestrigen Abend. So ein Schwein! Aber es war nicht zu ändern, der eklige Geschmack in ihrem Mund hatte sich wahrscheinlich für immer festgesetzt. Sushi. Sie schmeckte den Fisch. Die Algen lagen ihr auf der Zunge. Sie musste raus aus dem Bett, Wasser trinken, Zähne putzen. Den Tag spüren.
    Schabowski schob die Decke zur Seite. Ihr Fuß stieß gegen eine umgekippte Flasche Campari. Daneben stand ein Tetrapack Orangensaft. Sie musste zu Hause weitergetrunken haben. Mit ihm oder allein? Überhaupt: Seit wann hatte sie solche Spirituosen im Haus?
    Vitali bestellte Sushi à la carte, das Mixen ließ er sich nicht nehmen, verschwand hinter der Theke und kreierte die abenteuerlichsten Drinks für sie. Bitte, Madam! Himmlischer Cocktail, himmlischer Mann.
    Scala, sagte er und servierte einen Cocktail aus Wodka, Aperol, Likör und Limettensaft. Er schmeckte sagenhaft und lockerte die Kommissarin. Sie plauderten über ihre Zeiten abseits von Leipzig. Kasachstan. Bietigheim-Bissingen. Träume. Sie entdeckten Gemeinsamkeiten, die eine reizvolle Abendgestaltung auch in Zukunft versprachen. Vernissagen. Tanztheater. Barbesuche. Sie hatte sich in diesen Mann verguckt. Gemeinsam in den Sonnenuntergang blicken, zusammen den Sonnenaufgang beobachten und tanzen und schwimmen und rodeln und schweigen. Ein wohliger Schauer rieselte ihr den Rücken hinab.
    Schabowski tappte ins Bad, stieß mit der kleinen Zehe an den Türrahmen. Verdammt! Die Parfümflakons lagen im Waschbecken. Der Geruch verursachte Übelkeit. Sie würgte. Warum hatte sie diesen Typen nicht eher durchschaut? Sie war Kriminalkommissarin, es war ihr Job, Wahrheit von Lügen zu unterscheiden. Sie hatte versagt. Miersch hatte recht, wenn er ihr sämtliche Verantwortung nahm. Er hatte ihr die Leitung der Geiselnahme entzogen. Er würde sie vom Chefsessel der Mordkommission in die hinterste Reihe versetzen. Sie hatte ihn enttäuscht. Sie war unfähig. Unfähig! Sie hasste sich selber.
    Vitali mixte Chi Chi. Schabowski schmolz wie das Eis in ihrem Glase. Wodka. Ananassaft. Kokossirup. Kaffeesahne. Sie verstehen Ihren Job, hatte sie zum ihm gesagt, Ihre Drinks sind genial. Er hatte nach ihren Händen gegriffen und einen Kuss draufgehaucht, er schaute ihr in die Augen. Hatten wir uns nicht längst aufs Du geeinigt? Agnes. Vitali Petrowitsch. Sie bemerkte, dass ihr Glas ständig leer war. Sie bestellten noch einmal Sushi. Sie war beschwipst. Vitali merkte man den Alkohol gar nicht an. Professionell, hatte sie gedacht, absolut professionell.
    Ihr Rasierapparat lag auf dem Bord unterm Spiegel. Sonst versteckte Agnes Schabowski ihn neben den Pads für die Augen. Vorsichtsmaßnahme, falls sie doch einmal jemand besuchte. Aber sie hatte noch keinem ihre Wohnung gezeigt. Hatte Vitali, der Arsch, sich mit ihrem Gerät für Achsel und Schienbein den Bart noch rasiert? Hatte sie diesen Mann überhaupt mit in ihre Wohnung genommen? Sie konnte nicht alles vergessen haben. Schabowski hatte nicht alles vergessen. Sie sah sein Lächeln, spürte seine Hand in der ihren. Der Würgreiz kam wieder.
    Sie trank Harvey Wallbanger und Swimming Pool, Coco Loco und Piroska Strawberry und … Sie wusste nicht mehr, was sie noch alles genoss. Sie hatte die Rechnungen bezahlt. Agnes Schabowski ließ sich von einem Physikstudenten nicht aushalten. Ihre Lippen hatten sich gefunden. Vitali
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