Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Fratze - Roman

Titel: Fratze - Roman
Autoren: PeP eBooks
Vom Netzwerk:
Sie gehört dir. Mit allem Drum und Dran. Ich hoffe, das ist dir genug.
    Es ist alles, was ich noch habe.
     
    »Grundfarbe!«, sagt Sofonda, und Vivienne reicht ihr den hellsten Farbton von Aubergine-Dreams-Lidschatten.
    »Lidfarbe!«, sagt Sofonda, und Kitty reicht ihr den nächsten Lidschatten.
    »Konturfarbe!«, sagt Sofonda, und Kitty reicht ihr den dunkelsten Farbton.
     
    Shane, du setzt meine Karriere fort. Du lässt dir von Sofonda einen Spitzenvertrag verschaffen, nicht irgendeine poplige Provinzmodenschau. Du bist jetzt Shannon McFarland. Du kommst ganz groß raus. Heute in einem Jahr will ich dich im Fernsehen sehen, wie du nackt in Zeitlupe eine Diätcola trinkst. Sofonda soll dir fette landesweite Verträge an Land ziehen.
    Du sollst berühmt werden. Ein großes gesellschaftliches Experiment mit dem Ziel zu bekommen, was du nicht haben willst. Du sollst wertvoll finden, was man uns für wertlos zu halten beigebracht hat. Du sollst gut finden, was die ganze Welt böse nennt. Ich schenke dir mein Leben, weil ich will, dass die ganze Welt dich kennenlernt. Die ganze Welt soll sich begeistern für das, was sie hasst.
    Finde heraus, wovor du am meisten Angst hast, und lebe dort.

    »Wimpernzange!«, sagt Sofonda und biegt Shanes schlafende Wimpern in Form.
    »Mascara!«, sagt sie und kämmt Mascara in die Wimpern.
    »Ausgezeichnet«, sagt Kitty.
    Und Sofonda sagt: »Wir sind noch nicht über den Berg.«
     
    Shane, ich schenke dir mein Leben, meinen Führerschein, meine alten Schulzeugnisse, weil du mir ähnlicher bist, als ich selbst jemals ausgesehen habe. Weil ich es satt habe, Hass zu empfinden und mich zu putzen und mir selbst alte Geschichten zu erzählen, die von Anfang alle gelogen waren. Ich habe es satt, immer ich zu sein, ich, ich, ich.
    Spieglein, Spieglein an der Wand.
    Und lauf mir bitte nicht nach. Sei du der neue Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Sei erfolgreich, sei schön und geliebt und alles andere, was ich sein wollte. Ich bin jetzt darüber hinweg. Ich will nur noch unsichtbar sein. Vielleicht könnte ich mit meinen Schleiern Bauchtänzerin werden. Oder Nonne, und in einer Leprastation arbeiten, wo niemand vollständig ist. Ich werde Eishockeytorwart und trage eine Maske. Die großen Vergnügungspark stellen nur Frauen ein, die da als Zeichentrickfiguren verkleidet herumlaufen, weil die Leute befürchten, ihr Kind könnte von irgendwelchen Kinderschändern umarmt werden. Vielleicht werde ich eine große Zeichentrickmaus. Oder ein Hund. Oder eine Ente. Ich weiß es nicht, aber ich werde es schon noch erfahren. Man kann seinem Schicksal nicht entkommen, es geht einfach immer weiter. Tag und Nacht, die Zukunft kommt unaufhörlich auf einen zu.

    Ich streichle Shanes bleiche Hand.
    Ich schenke dir mein Leben, um mir selbst zu beweisen, dass ich wirklich jemanden lieben kann. Auch wenn ich nicht dafür bezahlt werde, kann ich Liebe geben, kann ich Menschen glücklich machen, sie bezaubern. Mit der Babynahrung komme ich zurecht, auch damit, dass ich nicht sprechen kann und heimatlos und unsichtbar bin, aber ich muss wissen, dass ich jemanden lieben kann. Ich werde jemanden lieben, uneingeschränkt und total, für alle Zeit und ohne Hoffnung auf Belohnung. Ein reiner Willensakt.
    Ich beuge mich über ihn, als könnte ich das Gesicht meines Bruders küssen.
    Ich lasse meine Handtasche und jede Vorstellung von der Person, die ich bin, unter Shanes Hand zurück. Und ich lasse die Geschichte zurück, dass ich einmal so schön war, dass ich in einem heißen engen Kleid einen Raum betreten konnte und alle sich nach mir umdrehten. Dass Millionen Reporter mich fotografiert haben. Und ich lasse die Vorstellung zurück, dass es sich gelohnt habe, für diese Aufmerksamkeit das zu tun, was ich getan habe.
    Was ich brauche, ist eine neue Geschichte.
    Was die Rhea-Schwestern für Brandy Alexander getan haben.
    Was Brandy für mich getan hat.
    Ich muss lernen, etwas selbst zu tun. Meine eigene Geschichte zu schreiben.
    Soll mein Bruder Shannon McFarland sein.
    Ich brauche diese Art von Aufmerksamkeit nicht. Nicht mehr.

    »Lipliner!«, sagt Sofonda.
    »Lipgloss!«, sagt sie.
    Sie sagt: »Hier blutet was!«
    Und Vivienne beugt sich vor und tupft mit einem Tüchlein das überschüssige Plumbago von Shanes Kinn.
     
    Schwester Katherine bringt mir, worum ich sie gebeten habe, bitte, und das sind die Bilder, die 18x24-Hochglanzfotos von mir in dem weißen Laken. Sie sind weder gut noch schlecht, weder hässlich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher