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Fratze - Roman

Titel: Fratze - Roman
Autoren: PeP eBooks
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rausgeholt hast, und tu alles genau so zurück, wie du es gefunden hast«, sagen die Münder. »Wir fangen mit den Arzneimitteln an, dann kommt das Make-up. Und jetzt mach dich auf die Jagd.«
    Ich nehme die erste Flasche heraus. Es ist Valium, und ich halte die Flasche so, dass alle hundert Brandys das Etikett lesen können.

    »Nimm so viel, wie wir uns erlauben können«, sagt Brandy, »dann mach mit der nächsten Flasche weiter.«
    Ich schütte einige der kleinen blauen Pillen in mein Handtaschenfach mit den anderen Valiumtabletten. In der nächsten Flasche, die ich finde, sind Darvon-Pillen.
    »Schatz, die sind himmlisch im Mund.« Alle Brandys spähen hinauf zu der Flasche in meiner Hand. »Ob man davon ein paar zu viel nehmen kann?«
    Das Haltbarkeitsdatum auf dem Etikett ist nur einen Monat entfernt, und die Flasche ist noch fast voll. Ich schätze, wir können ungefähr die Hälfte nehmen.
    »Hier.« Eine große ringbesetzte Hand kommt aus allen Richtungen auf mich zu. Hundert geöffnete Hände strecken sich mir entgegen. »Gib Brandy ein paar. Die Prinzessin hat wieder Schmerzen im Kreuz.«
    Ich schüttle zehn Kapseln heraus, und hundert Hände werfen tausend Tranquilizer auf die roten Teppichzungen dieser Plumbagomünder. Eine Selbstmorddosis Darvon gleitet ins dunkle Innere der Kontinente hinunter, aus denen sich die Welt der Brandy Alexander zusammensetzt.
    In der nächsten Flasche finden sich die kleinen violetten Ovale der 2,5-Milligramm-Premarin-Tabletten.
    Das ist die Kurzform von »Pregnant Mare Urine«. Das wiederum ist die Kurzform dafür, dass Tausende von trächtigen Stuten in North Dakota und Zentralkanada in enge dunkle Stallboxen gezwängt und an Katheter angeschlossen werden, die jeden Tropfen ihres Harns auffangen, und rausgelassen werden sie nur, um mal wieder gefickt zu werden. Komisch, das beschreibt ziemlich genau auch jeden längeren Krankenhausaufenthalt, aber das ist nur meine persönliche Erfahrung.
    »Sieh mich nicht so an«, sagt Brandy. »Diese Pillen nicht
zu nehmen macht kein einziges Pferdebaby wieder lebendig.«
    In der nächsten Flasche sind runde, pfirsichfarbene, eingekerbte kleine 100-Milligramm-Aldactone-Tabletten. Unsere Hausbesitzerin muss süchtig nach weiblichen Hormonen sein.
    Schmerzmittel und Östrogene sind so ziemlich die einzigen Sachen, die bei Brandy auf dem Speisezettel stehen, und sie sagt: »Komm, gib her.« Sie nascht ein paar kleine, rosa überzogene Estinyl-Pillen. Sie wirft einige von den türkisblauen Estrace-Tabletten ein. Eben ist sie dabei, das Vaginalpräparat Premarin als Handcreme zu benutzen, da sagt sie: »Miss Kay?« Sie sagt: »Ich kann anscheinend keine Faust mehr machen, Süße. Glaubst du, du könntest vielleicht hier ohne mich fertig werden, während ich mich ein bisschen hinlege?«
    Hunderte in den rosa Badezimmerspiegeln geklonte Ichs, wir prüfen die Make-up-Bestände, während die Prinzessin sich in die Pomponrosen- und Himmelbettpracht des großen Schlafzimmers zurückzieht, um ein Nickerchen zu halten. Ich finde Darvocet und Percodan und Compazine, Nembutal und Percocet. Orale Östrogene. Antiandrogene. Progestone. Transdermale Östrogenpflaster. Ich finde keine von Brandys Farben, kein Rusty-Rose-Rouge. Keinen Burning-Blueberry-Lidschatten. Ich finde einen Vibrator mit leeren, aufgeblähten Batterien, aus denen Säure leckt.
    Das Haus gehört einer alten Frau, überlege ich. Unbeachtete, alternde und mit Medikamenten vollgestopfte alte Frauen, von Minute zu Minute älter und für die Welt unsichtbarer werdend, die brauchen nicht viel Make-up. Die müssen nicht in angesagte Locations ausgehen. Nicht zu
Partymucke abhotten. Mein Atem riecht scharf und sauer unter meinen Schleiern, unter den feuchten Schichten aus Seide und Georgettebaumwolle, die ich zum ersten Mal an diesem Tag lüfte; und in den Spiegeln betrachte ich das rosafarbene Abbild dessen, was von meinem Gesicht übrig ist.
    Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die Schönste im ganzen Land?
    Die böse Königin war bescheuert, Schneewittchens Spiel mitzuspielen. Ab einem bestimmten Alter muss eine Frau sich auf eine andere Art von Macht verlegen. Geld zum Beispiel. Oder ein Gewehr.
    Ich lebe das Leben, das ich liebe, sage ich mir; und liebe das Leben, das ich lebe.
    Ich sage mir: Ich habe das hier verdient.
    Es ist genau das, was ich wollte.

3
    B evor ich Brandy kennenlernte, hatte ich nur den Wunsch, dass mich mal jemand fragen würde, was denn mit meinem Gesicht
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