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Franzosenliebchen

Franzosenliebchen

Titel: Franzosenliebchen
Autoren: Jan Zweyer
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verleihen.
»Und kein Wort zu jemandem, der nicht zu uns gehört. Die
Franzosen haben überall ihre Spitzel, da könnt ihr sicher
sein. Auch Deutsche sind zu Verrätern geworden. Also passt
auf, mit wem ihr redet.«
    Er sah sich um. Viele
der Anwesenden waren noch sehr jung, vielleicht gerade zwanzig
Jahre alt. »Also, keine Unbesonnenheit. Es hat keinen Zweck,
dass ein Einzelner sich wehrt! Ausharren, bis unsere Stunde
gekommen ist. Was wir von unseren deutschen Mitbürgern
verlangen, ist Würde. Mit deutschem Stolz wollen wir den
Eindringlingen gegenübertreten. Nicht wir müssen den
Blick senken, sondern die anderen, denn sie sind
Friedensstörer, Mörder.«
    Seine Zuhörer
hingen an seinen Lippen.
    »Wie hier bei
uns, haben sich überall im besetzten Gebiet Ausschüsse
gebildet. Unser Überwachungsausschuss zur Wahrung der deutschen Würde
hat darauf zu achten, dass kein deutscher Mann und keine deutsche
Frau mit einem Franzosen zusammengeht. Keiner! Ist das
klar?«
    Die Anwesenden nickten
eifrig.
    »Gut. Ehrensache
ist es, dass jeder von uns eine kleine Taschenschere mit sich
führt. Die Hattinger haben es uns vorgemacht. Dort ist von
einem mutigen Mann eine Anzeige aufgegeben worden. Darin
heißt es: An die Damen des Kreises Hattingen. Wir warnen
hiermit die Damen, sich mit den Ausländern in engere
Beziehungen einzulassen, da wir sonst mit aller Strenge Vorgehen.
Der Scherenclub.«
    Einzelne Lacher wurden
laut.
    »Also, denkt an
die Scheren. Ein Symbol nur, gewiss. Aber man könnte damit
einem Mädchen, das die deutschen Grundsätze nicht
beherzigt, sehr wohl die Haare abschneiden. Daher besorgt euch die
Dinger! Lasst hier und da eine Bemerkung über den Scherenclub
fallen. Es schadet auch nichts, wenn sich der eine oder der andere
an das Wort Feme erinnert. Die Feme wacht, über die Getreuen
und die Ungetreuen! Und die Feme straft! Geht mit gutem Beispiel
voran. Für uns sind die Franzosen Luft. Wenn sie etwas wollen,
so sehen wir durch sie hindurch wie durch Glas.«
    Der Redner schaute in
vor Begeisterung glühende Gesichter.
    »Die Franzosen
sind mit Tanks und Kanonen gekommen. Stimmt. Na und? Sie
können nicht ein ganzes Volk erschießen! Einige fragen
ängstlich: Was können wir Einzelne schon ausrichten? Ich
sage es euch: Wir müssen uns auflehnen! Und das Volk wird sich
auflehnen. Auflehnen gegen die Frechheit, nach vier Jahren Frieden
wie Räuber ins deutsche Land einzubrechen. Das Volk will die
Franzosen nicht! Und wenn der Franzoseneinfall eine Folge des
Friedensvertrages sein soll, dann ist dieser nichts wert.«
Saborski hob seine Stimme noch weiter an und fuhr fort:
»Opfersinn, Heldentum und Freundestreue heißt die
Parole in Zeiten des Kampfes. Es wird sich zeigen, wer ein
richtiger Kerl ist, wer sich für das Volk einsetzt - für
sein deutsches Volk! Seid ihr solche Kerle?«
    Frenetisch
applaudierend sprangen die Zuhörer auf.
»Ja!«
    Saborski gab einem der
Männer ein Zeichen.
    Karl Soltau hob beide
Arme und bat um Ruhe. Seine Narbe glühte. Dann begann er zu
sprechen: »Kameraden! Es is nich genug, eine Schere in der
Tasche spazieren zu tragen und von der Feme zu flüstern.
Deshalb haben wir dreißig Exemplare eines Plakates
organisiert, dat unsere Dortmunder Kameraden verfasst und gut
sichtbar an Hauswänden angebracht haben, damit sich
Franzosenfreunde nicht sicher fühlen können. Ich will es
euch vorlesen.« Er griff unter seinen Pullover und zog ein
großes Blatt Papier hervor. »Vaterlandsverräter!
Die französische Besatzungsbehörde sichert euch Schutz
und Straffreiheit! Wir - deutsche Bürger auf
westfälischer Erde - erkennen die ›Hoheit‹ der
Franzosen nicht an! Wir werden uns in der Verfolgung und
Verurteilung von Volksverrätern nicht beirren lassen! Ihr seid
nicht straffrei! Wir wachen und strafen! Die Feme. Unterschrift:
Überwachungsausschuss zur Wahrung der deutschen Würde,
Ortsgruppe Dortmund. Nun brauchen auch wir Freiwillige, die heute
Nacht trotz der Verhängung des schändlichen
Belagerungszustands diese Plakate kleben. Wer beteiligt sich
daran?«
    Alle Arme flogen nach
oben.
    »Ausgezeichnet.
Die Plakate befinden sich im Versteck. Wir verteilen sie
später. Den Kleister könnt ihr …«
    Plötzlich wurde
die Tür aufgedrückt und der Wirt steckte seinen Kopf
durch den Spalt: »Franzosen. Und Geheimpolizei!« Dann
verschwand er wieder.
    Hastig rollte Soltau
das Plakat wieder ein und schob es sich unter den Pullover. Dann
setzte er sich.
    Wilfried Saborski
griff zur
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