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Franzosenliebchen

Franzosenliebchen

Titel: Franzosenliebchen
Autoren: Jan Zweyer
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meinen Mantel und dann gehen wir. Hast
du verstanden?«
    Wilhelm Gleisberg
nickte folgsam.
    Nachdem Agnes am Abend
zuvor auch mit der letzten Bahn nicht nach Hause gekommen war,
hatte ihr Vater einige Männer aus der Nachbarschaft
mobilisiert, um nach seiner Tochter zu suchen. Nun war die Leiche
des Mädchens in den Kellerräumen des abgebrannten Hauses
gefunden worden, versteckt unter dreckigen, zerlumpten
Kohlensäcken.
    Erna Treppmann
näherte sich mit schleppenden Schritten der Menschenansammlung
vor der Ruine. Jemand rief in Richtung des abgebrannten Hauses:
»Hermann, deine Frau.«
    Die geflüsterten
Gespräche der Leute erstarben.
    »Lasst mich
durch«, sagte Erna Treppmann leise, aber bestimmt. »Ich
will zu meinem Kind.«
    Gehorsam schob sich
die Menge auseinander und bildete eine Gasse.
    Mit vor Erregung
gerötetem Kopf erschien Hermann Treppmann im Kellereingang.
»Du solltest da nicht runtergehen«, sagte er mit
belegter Stimme. »Wirklich nicht.«
    Erna Treppmann sah
ihren Mann nur kurz an und streichelte dann sein Gesicht. Er
zögerte, nickte aber dann und trat beiseite, um den Weg
freizugeben.
    Langsam folgte Hermann
Treppmann seiner Frau.
    Ein Kraftwagen der
Schupo fuhr knatternd vor. Ihm entstiegen zwei deutsche
Uniformierte sowie ein französischer Offizier und zwei
Soldaten. Die Polizisten näherten sich den Wartenden,
während die Franzosen neben dem Wagen stehen blieben. Die
Leute warfen den Soldaten feindselige Blicke zu.
    »Hier wurde eine
Tote gefunden?«, fragte der ältere Polizist
grußlos und sah sich suchend um.
    Einer der
herumstehenden Männer, der einen stattlichen Bauch vor sich
hertrug, machte eine Kopfbewegung. »Im
Keller.«
    Der Beamte ging in die
angegebene Richtung.
    »Wer hat die
Tote entdeckt?«, wollte der jüngere Schupo wissen, der
zurückblieb.
    »Kalle und
ich«, erwiderte wieder der dicke Mann.
    Der Uniformierte
zückte ein Notizbuch. »Und wer sind Sie und wer ist
Kalle?«
    Aus dem Hintergrund
trat ein anderer Mann hervor. Er war groß gewachsen, schlank,
fast ein wenig staksig. Über sein Gesicht zog sich eine
breite, tiefrote Narbe. »Ich bin Kalle. Karl Soltau.«
Er hielt einen breiten Gürtel und einen Schal hoch.
»Außerdem haben wir dat hier gefunden. Aber nich hier,
sondern weiter vorne im
Straßengraben.« 
    »Dazu kommen wir
gleich«, brummte der Schutzpolizist und schrieb weiter in
seinem Buch. »Und Ihr Name?«, wandte er sich erneut an
den Dickeren, der sich gerade eine Zigarette
anzündete.
    »Adolf
Schneider«, antwortete der und nahm einen tiefen
Zug.
    »Erzählen
Sie, wie Sie die Tote gefunden haben.«
    »Was gibbet da
schon groß zu erzählen?«, erwiderte Soltau.
»Wir haben mit den anderen hier die halbe Nacht nach Agnes
gesucht.«
    »Agnes?«
    »Agnes
Treppmann, ja. Zuerst ham wer den Gürtel und ihren Schal da
hinten im Graben gefunden. Dann sind Adolf und ich auch hier inne
Ruine rein. Und da hat se dann gelegen.«
    Erst jetzt nahm der
Polizist die beiden Gegenstände zur Kenntnis, die Soltau in
seiner rechten Hand hielt. »Zeigen Sie her«, befahl
er.
    Kalle Soltau nahm den
Schal in seine Linke und hob ihn hoch. »Dat is der von Agnes.
Un dat hier«, Soltau hob die Stimme, sodass ihn alle
Umstehenden deutlich vernehmen konnten, und streckte seine Rechte
nach oben, »dat hier is ein französisches Koppel. Un es
soll mich der Teufel holen, wenn nich mit diesem Koppel unser Agnes
erwürgt worden is. Verdammich noch ma!«
    Er sah sich
triumphierend um. Die Leute, die eben noch betreten geschwiegen
hatten, fingen an zu tuscheln. Erst leise, dann lauter.
    »Ihr habt Agnes
umgebracht«, rief einer aus dem Schutz der Menge und zeigte
auf die immer noch am Wagen wartenden Soldaten.
    »Haut ab«,
kreischte eine Frau. »Ihr habt hier nix
verloren!«
    Jetzt drehten sich
alle zu den Soldaten hin und zeigten offen ihre Feindseligkeit:
Fäuste wurde drohend erhoben, weitere Schmährufe
ertönten.
    Der französische
Offizier gab einen Befehl und öffnete sein Pistolenhalfter.
Die ihn begleitenden Soldaten nahmen ihre Karabiner von der
Schulter, luden sie durch und richteten sie auf die langsam
näher rückenden Menschen.
    »Macht keinen
Quatsch!«, rief jemand mit lauter Stimme vom Kellereingang
her. Der ältere Schutzpolizist und die Eheleute Treppmann
traten wieder ins Freie. »Reicht eine Tote
nicht?«
    Die Leute wandten sich
um.
    »Lasst es
sein«, bat auch Erna Treppmann mit müder Stimme.
»Davon wird mein Mädchen nicht wieder lebendig. Und
…«, sie
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