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Franny Parker

Franny Parker

Titel: Franny Parker
Autoren: Hannah Roberts McKinnon
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Tibble.
    »Ach, Schätzchen, ich glaube, der Kater ist nicht zu verkaufen«, sagte Miss Thorn höflich. »Das ist nur ein Streuner.«
    Mrs Tibble jedoch hatte eine Nase dafür, wenn jemand ernste Kaufabsichten hatte, und merkte, dass Ben nicht ohne den Kater gehen würde.
    »Fünfzig Cent!«, blaffte sie. »Zum halben Preis!«
    »Gebongt!«, schrie Ben, der überzeugt war, wir hätten ein echtes Schnäppchen gemacht.
    Grandma Rae und Mama enthülsten Bohnen auf der Veranda, als wir mit dem Kater in den Armen nach Hause kamen. Ben war stolz wie Oskar und wäre wahrscheinlich die ganze Strecke gehüpft, nur dass der Kater das Hüpfen nicht zu schätzen schien. Wir mussten uns sowieso beim Tragen abwechseln und teilten uns somit die Kratzer auf unseren vier Armen. Als wir schließlich bei der Verandatreppe waren, hielten wir den getigerten Kater hoch, als hätten wir das große Los gewonnen.
    Mama sah als Erste auf. »Und wie lange hat der Getigerte vor, bei uns zu bleiben?« Ich merkte, dass sie nicht erfreut war. Andrerseits weist Mama nie ein zugelaufenes Tier ab.
    Kaum aber erblickte Grandma Rae den Kater, sprangsie auf. Bohnen flogen durch die Luft. »Wozu um Himmels willen schleppt ihr so ein dreckiges Viech durch die Stadt?« Sie drehte sich empört zu Mama um. »Ehrlich, Celia, du lässt die Kinder wirklich jeden Mist nach Hause bringen.«
    Ben und ich ließen die Köpfe hängen, sahen uns aber heimlich aus den Augenwinkeln an. Wir hüteten uns abzuhauen, wenn es gerade anfing, gut zu werden. Mama würde uns nicht im Stich lassen.
    »Komm schon, Rae, ist doch nichts dabei. Die Kinder müssen sich um den Kater kümmern. Außerdem kann ich nicht sehen, was für ein Vorbild das wäre, die
Notleidenden
abzuweisen.« Als Antwort ließ sich Grandma Rae wieder auf den Stuhl fallen – mit verkniffenem Mund. Die
Notleidenden
aufzunehmen und ihnen zu helfen war in dem Sommer die durchgängige Losung des Pastors in seinen Predigten, und wenn Grandma Rae uns jene wöchentlichen Predigten schon unter die Nase rieb, dann war Mamas Reaktion, die Worte des Pastors auch umzusetzen. Zu uns sagte sie: »Bringt den Kater in die Scheune. Holt ihm was zu fressen, dann geht und wascht euch.« Ha, Mama war eben durch und durch tierlieb, schlimmer als wir alle zusammen. Ich stellte sie mir als kleines Mädchen mit großen Augen vor, eine Maus in der Kleidertasche und einen Hund im Schlepptau. Ich wollte unbedingt wie sie sein.
    Als wir durch den Garten liefen, überlegte Ben sichKatzennamen. »Wie wär’s mit Jasper? Oder Marmaduke? Oje, vielleicht ist er ja auch eine Sie? Ich weiß! Cynthia!« Selbst mit abgewandtem Gesicht spürte ich, wie mir Grandma Raes Missbilligung dort von der Veranda aus ein Loch in den Rücken brannte.
    »Und so geht das immer weiter«, schimpfte sie vernehmlich.
    Grandma Rae spielte auf das an, was vor ein paar Wochen seinen Anfang genommen hatte. Es sollte der Sommer der Notleidenden werden. Sobald man mal einen entdeckt hatte, so schien es, war man plötzlich von Notleidenden umgeben, selbst dort, wo man sie nie erwartet hätte. Der Frühling war angeblich der trockenste seit fünfzig Jahren gewesen und Ende Mai gab’s in Blue Jays Apfelplantage kaum eine Blüte. Bis Juni wurde es noch schlimmer. Da es das ganze Frühjahr kaum geregnet hatte, war der Ackerboden braun und rissig, und die Weizenfelder waren zur Erntezeit in beklagenswertem Zustand. Familie Wakeman hatte so eine miese Ernte, dass Faye Wakeman anfing, vormittags bei Harlands Supermarkt zu arbeiten, damit sie über die Runden kamen. Dann gab es ein Buschfeuer, das fast alle Rosen des Gartenclubs hinter der Kirche vernichtete. Das alles war natürlich schlimm, aber es gab nicht viel, was ich dagegen hätte tun können. Bis Dad eines Tages an einem späten Juninachmittag, dem letzten Schultag, sehr zu Bens Entsetzten eine Zierschildkröte mit geborstenem Panzeram Wegesrand gefunden hatte. Und das war der Anfang von unserer Tierklinik.
    »Wer bringt so was fertig?«, rief Ben und ballte die Hände zu wütenden kleinen Fäusten.
    »Und was für ’ne Schönheit«, stimmte ihm Dad zu und fuhr ihr bewundernd über den breiten Panzer.
    Wir trugen sie zur Scheune, wo wir den Riss fest mit gelbem Klebeband umwickelten. Sie sah mit den Linien aus, als würde sich ein krummer Feldweg über ihren knubbeligen Panzer ziehen.
    »Wir nennen sie Speedy Gonzales«, beschloss Ben.
    In dem Moment kam mir die Idee mit der Tierklinik. Und seit jenem Tag im Juni
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