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Franny Parker

Franny Parker

Titel: Franny Parker
Autoren: Hannah Roberts McKinnon
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ins Wohnzimmer zu ihrer Staffelei und packte sie in ihre Malerkiste.
    Ben schnappte sich eine Tube Blau. »Wow,
Aquamarin
! Ich wette, die Schildkröten würden gern aquamarinblau sein!«, behauptete er.
    Sidda schnaubte verächtlich. »Mal bloß die ekligen Schildkröten nicht an!«
    »Aber es sind doch
Zier
schildkröten!« Er fuchtelte mit der Tube vor ihrem Gesicht herum.
    »Das ist nur ihre Bezeichnung, Ben. So heißen die Dinger eben. Aber das heißt keinesfalls, dass man sie blau
verzieren
soll!«, hielt ihm Sidda entgegen. Sie hatte die Hände in die Hüften gestemmt.
    Ich stieß Ben an und versuchte, ein Kichern zu unterdrücken. Er war Meister darin, Sidda zu reizen.
    »Mom«, beklagte sie sich, »sag ihm, dass er die Schildkröten nicht blau anmalen darf.«
    Mama packte jetzt Malerleinwand aus. »Ben«, sagte sie warnend, aber ihre Mundwinkel zuckten.
    »Schon gut, schon gut«, stöhnte er und schnappte sich eine Tube Rot. »Dann vielleicht mit
Magenta


Aufsatteln
    A m Montagvormittag war ich in der Scheune und striegelte Snort, als ein sommersprossiges Gesicht über der Boxentür erschien.
    »Auf Seite wie viel bist du?« Pearl Jones’ strubbeliges rotes Haar stand in alle Richtungen und Snort scheute erschrocken zurück.
    »Ganz ruhig, Junge«, sagte ich. »Das ist doch nur Pearl.« Pearl war meine beste und älteste Freundin, aber ihr wuscheliges Haar und ihre unerwarteten Auftritte erschreckten das Pony jedes Mal, und die anderen Familienmitglieder übrigens auch.
    Die Scheune war der einzige Ort, um der Hitze zu entkommen, und ich hatte mich morgens mit
Frühling des Lebens
in eine Ecke in Snorts dunkler Box verzogen. Snort störte das nicht.
    »Willst du mal reiten?«
    Pearl kniff die Augen zusammen und starrte auf das Buch, das auf der Boxentür lag. »Du hast meine Frage nicht beantwortet.«
    »Mann, Pearl, hör schon auf«, sagte ich seufzend.
    Die Lesewut, die jeden Sommer ausbrach, hatte letzten Monat angefangen. Arme Pearl. Ihre Mutter hattedie Finger im Spiel, das wusste ich. Am letzten Schultag fing die Aubree-Bücherei mit dem jährlichen Sommer-Lesewettbewerb an, und Mrs Jones hatte den Blick immer auf einen möglichen Preisgewinn gerichtet: in diesem Fall hundert Dollar und einen großen goldenen Pokal für das Kind, das die meisten Bücher gelesen hatte. Pearl, die so ein schüchternes und vernünftiges Mädchen war, hatte das Unglück, eine Mutter zu haben, die kein bisschen schüchtern und eher unvernünftig war.
    Pearl war die Älteste von sechs Kindern. Das bedeutete, dass sie das zweifelhafte Vergnügen besaß, an vorderster Front der Jones-Familie zu stehen, wann immer es darum ging, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich zu ziehen. Immer wenn es um Leistung ging, bei jeder Veranstaltung, drängte Pearls Mutter ihre Tochter dazu, die Gelegenheit zu Ruhm und Ehre zu ergreifen. Beim Keksbasar der Pfadfinderinnen kaufte und verspeiste Mrs Jones jede Schachtel, die Pearl nicht verkaufen konnte, nur um ihre Strichliste zu vergrößern. Sie nahm mindestens zwanzig Pfund zu. Beim Fußballturnier kam es bisweilen vor, dass Mrs Jones den Fuß rausstreckte, wenn ein Mädchen der gegnerischen Mannschaft über die Seitenlinie lief. Und bei Reitturnieren klopfte sie einem Pony schon mal spielerisch auf den Hintern, sodass es sich aufbäumte und die arme Reiterin sich an seinen Rücken klammern musste, während es losrannte.
    Trotz der unfairen Methoden ihrer Mutter war Pearl noch nie Erste geworden, bei gar nichts. Dieses Jahr hatte sich ihre Mutter daher auf den Lesewettbewerb gestürzt, in dem sie eine große Chance sah. Lesen konnte man immer und überall, wie Mrs Jones behauptete. Pearl musste sogar lesen, wenn sie im Schwimmbad in der Schlange am Eisstand wartete. Höchstwahrscheinlich hätte es Mrs Jones nicht mal gemerkt, wenn ihre Tochter im Pool untergegangen wäre, aber sie durfte ihr Handtuch unter keinen Umständen mit weniger als zwei Büchern auslegen.
    »Na?«, fragte Pearl und wischte sich eine rote Locke weg, die ihr in die Augen hing.
    »Seite dreißig.« Ich gab es auf. »Wie geht’s Nancy Drew?«
    Pearl runzelte die Stirn und ließ sich auf einen Heuballen sinken. »Sie ist sturzlangweilig.«
    »Lass uns doch reiten gehen«, sagte ich.
    Ich ging in die Sattelkammer, um Snorts Sattel zu holen. Der Tag, an dem mir Mama den Sattel geschenkt hatte, war auch der Tag, an dem ich Snort bekam, vor vier Jahren, zu meinem achten Geburtstag. Ich hatte mich auf die
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