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Frankenstein oder Der moderne Prometheus

Frankenstein oder Der moderne Prometheus

Titel: Frankenstein oder Der moderne Prometheus
Autoren: Mary Shelley
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und die unbegrenzten Mut
besitzen.
    Aber etwas fehlt mir, Margarete, ein Freund. Wenn ich von dem
Enthusiasmus meiner Erfolge glühe, dann habe ich keinen Menschen,
mit dem ich meine Freude teilen kann; und habe ich Mißerfolge, dann
ist niemand da, der mir zuspricht und mich wieder aufmuntert. Ich
werde meine Gedanken dem Papier anvertrauen, das ist wenigstens
etwas; aber immerhin ist es doch ein armseliges Mittel zur Aufnahme
unserer Gefühle. Ich bedürfte eines Mannes, einer gleichfühlenden
Seele. Du wirst mich vielleicht sentimental schelten, aber ich kann
nichts dafür, ich brauche einen Freund. Ich habe niemand um mich,
der, zugleich vornehm und mutig, gebildet und verständig, von
denselben Neigungen wie ich, imstande wäre, meinen Plänen
zuzustimmen oder davon abzuraten. Welch guten Einfluß könnte ein
solcher Freund auf Deinen armen Bruder haben! Ich bin zu unüberlegt
und verliere bei Schwierigkeiten zu rasch die Geduld.
    Was helfen aber alle Klagen? Auf dem weiten Ozean werde ich
ebensowenig einen Freund finden wie hier in Archangel mitten unter
Kaufleuten und Seefahrern. Nicht als ob ich sagen
möchte, daß diese rauhen Naturen ohne
jegliches menschliche Fühlen wären. Mein Leutnant zum Beispiel ist
ein Mensch von außerordentlichem Mut und unvergleichlicher
Tatkraft, geradezu begierig nach Ruhm. Oder wenn ich mich
deutlicher ausdrücken muß, begierig, in seinem Beruf Hervorragendes
zu leisten. Er ist Engländer und hat sich mitten in seinem Berufe,
fern von aller Kultur, einige feine menschliche Regungen zu
bewahren gewußt. Ich lernte ihn zuerst an Bord eines
Walfischfängers kennen. Da er hier in Archangel keine geeignete
Beschäftigung zu haben schien, war es mir ein leichtes, ihn für
mich zu gewinnen.
    Der Maat ist ein Mann von vorzüglichen Anlagen und auf dem
Schiffe beliebt wegen seiner Milde und der vornehmen Behandlung der
Mannschaft. Dieser Umstand, verbunden mit seiner untadeligen
Ehrlichkeit und seinem rücksichtslosen Mut, brachten mich zu dem
Entschluß, den Mann anzuwerben. Meine einsam verbrachte Jugend, der
Einfluß, den Du in meinen späteren Jahren auf mich geübt, haben
mein Gemüt derart verfeinert, daß mir der übliche rohe Ton an Bord
ein Greuel ist; ich habe ihn von jeher für unnötig gehalten. Es ist
daher sehr begreiflich, daß ich mich der Dienste eines Mannes
versicherte, der zugleich wegen seiner Herzensgüte als auch wegen
des großen Einflusses auf seine Untergebenen bekannt war.
    Meine Gefühle kann ich Dir nicht beschreiben, die mich beseelen,
jetzt, wo ich so nahe der Erfüllung meiner Träume bin. Es ist
unmöglich, Dir auch nur annähernd die Empfindungen zu schildern,
die alle meine Reisevorbereitungen begleiten. Ich bin im Begriff,
unerforschte Landstriche zu betreten, die Heimat des Nebels und des
Schnees; aber ich werde nicht nach Albatrossen jagen, deshalb sei
um meine Sicherheit nicht besorgt.
    Werde ich Dich erst wiedersehen, wenn ich nach langer Fahrt
durch ungeheure Ozeanweiten einmal an der Südspitze von Afrika oder
Amerika herauskomme? Solche Erfolge darf ich ja gar nicht erwarten;
aber ich bringe es jetzt nicht über das Herz, die Kehrseite der
Medaille zu betrachten. Schreibe mir jedenfalls so oft als es Dir
möglich ist, vielleicht erreichen mich Deine Briefe gerade dann, wenn ich ihrer am notwendigsten
bedarf. Ich habe Dich herzlich lieb. Denke auch Du meiner in Liebe,
wenn es sich treffen sollte, daß wir uns nimmer sehen. Stets Dein
getreuer Bruder
    Robert Walton.

An Frau Saville, London
    7. Juli 18..
    Liebe Schwester! Ich schreibe Dir in aller Eile, um Dich wissen
zu lassen, daß ich wohlauf bin und daß ich schon ein Stück meiner
Reise hinter mir habe. Diesen Brief wird ein Kaufmann von Archangel
aus nach England mitbringen. Der Glückliche! Er kann wieder
Heimatluft atmen, was mir vielleicht auf Jahre hinaus nicht
vergönnt sein wird. Trotzdem bin ich bester Laune. Meine Leute sind
kühn und offenbar zu allem willig; auch die schwimmenden Eisberge,
die unaufhörlich an uns vorbeiziehen und uns die Gefahren
vorausahnen lassen, denen wir entgegengehen, scheinen ihnen keine
Sorge einzuflößen. Wir haben schon eine hohe nördliche Breite
erreicht, aber es ist Hochsommer, und wenn es auch nicht ganz so
warm ist wie in England, so tragen uns doch die Südwinde, indem sie
uns dem heißersehnten Ziele näherbringen, eine wohltuende Wärme zu,
wie ich sie nicht erwartet hätte.
    Bisher hat sich noch nichts ereignet, was der Mitteilung
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