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Fräulein Else - Novelle

Fräulein Else - Novelle

Titel: Fräulein Else - Novelle
Autoren: dtv
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es gut geht und die keine Sorgen haben. Ich zum Beispiel. Haha! Schad'. Ich wär' zu einem sorgenlosen Leben geboren. Es könnt' so schön sein. Schad'. – Auf dem Cimone liegt ein roter Glanz. Paul würde sagen: Alpenglühen. Das ist noch lang' kein Alpenglühen. Es ist zum Weinen schön. Ach, warum muß man wieder zurück in die Stadt!
    „Guten Abend, Fräulein Else.“ – „Küss' die Hand gnädige Frau.“ – „Vom Tennis?“ – Sie sieht's doch, warum fragt sie? „Ja, gnädige Frau. Beinah drei Stunden lang haben wir gespielt. – Und gnädige Frau machen noch einen Spaziergang?“ – „Ja, meinen gewohnten Abendspaziergang. Den Rolleweg. Der geht so schön zwischen den Wiesen, bei Tag ist er beinahe zu sonnig.“ – „Ja, die Wiesen hier sind herrlich. Besonders im Mondenschein von meinem Fenster aus.“ –
    „Guten Abend, Fräulein Else.“ – Küss' die Hand, gnädige Frau. – „Guten Abend, Herr von Dorsday.“ – „Vom Tennis, Fräulein Else?“ – „Was für ein Scharfblick, Herr von Dorsday.“ – „Spotten Sie nicht, Else.“ – Warum sagt er nicht ‚Fräulein Else?‘ – „Wenn man mit dem Rakett so gut aus |12| schaut, darf man es gewissermaßen auch als Schmuck tragen.“ – Esel, darauf antworte ich gar nicht. „Den ganzen Nachmittag haben wir gespielt. Wir waren leider nur Drei. Paul, Frau Mohr und ich.“ – „Ich war früher ein enragierter Tennisspieler.“ – „Und jetzt nicht mehr?“ – „Jetzt bin ich zu alt dazu.“ – „Ach, alt, in Marienlyst, da war ein fünfundsechzigjähriger Schwede, der spielte jeden Abend von sechs bis acht Uhr. Und im Jahr vorher hat er sogar noch bei einem Turnier mitgespielt.“ – „Nun, fünfundsechzig bin ich Gott sei Dank noch nicht, aber leider auch kein Schwede.“ – Warum leider? Das hält er wohl für einen Witz. Das Beste, ich lächle höflich und gehe. „Küss' die Hand, gnädige Frau. Adieu, Herr von Dorsday“. Wie tief er sich verbeugt und was für Augen er macht. Kalbsaugen. Hab ich ihn am Ende verletzt mit dem fünfundsechzigjährigen Schweden? Schad't auch nichts. Frau Winawer muß eine unglückliche Frau sein. Gewiß schon nah an fünfzig. Diese Tränensäcke, – als wenn sie viel geweint hätte. Ach wie furchtbar, so alt zu sein. Herr von Dorsday nimmt sich ihrer an. Da geht er an ihrer Seite. Er sieht noch immer ganz gut aus |13| mit dem graumelierten Spitzbart. Aber sympathisch ist er nicht. Schraubt sich künstlich hinauf. Was hilft Ihnen Ihr erster Schneider, Herr von Dorsday? Dorsday! Sie haben sicher einmal anders geheißen. – Da kommt das süße kleine Mädel von Cissy mit ihrem Fräulein. – „Grüß dich Gott, Fritzi. Bon soir, Mademoiselle. Vous allez bien?“ – „Merci, Mademoiselle. Et vous?“ – „Was seh' ich, Fritzi, du hast ja einen Bergstock. Willst du am End' den Cimone besteigen?“ – „Aber nein, so hoch hinauf darf ich noch nicht.“ – „Im nächsten Jahr wirst du es schon dürfen. Pah, Fritzi. A bientot, Mademoiselle.“ – „Bon soir, Mademoiselle.“
    Eine hübsche Person. Warum ist sie eigentlich Bonne? Noch dazu bei Cissy. Ein bitteres Los. Ach Gott, kann mir auch noch blühen. Nein, ich wüßte mir jedesfalls was Besseres. Besseres? – Köstlicher Abend. ‚Die Luft ist wie Champagner‘, sagte gestern Doktor Waldberg. Vorgestern hat es auch einer gesagt. – Warum die Leute bei dem wundervollen Wetter in der Halle sitzen? Unbegreiflich. Oder wartet jeder auf einen Expreßbrief? Der Portier hat mich schon gesehen; – wenn ein Expreß|14|brief für mich da wäre, hätte er mir ihn sofort hergebracht. Also keiner da. Gott sei Dank. Ich werde mich noch ein bißl hinlegen vor dem Diner. Warum sagt Cissy ‚Dinner‘? Dumme Affektation. Passen zusammen, Cissy und Paul. – Ach, wär der Brief lieber schon da. Am Ende kommt er während des ‚Dinner‘. Und wenn er nicht kommt, hab' ich eine unruhige Nacht. Auch die vorige Nacht hab' ich so miserabel geschlafen. Freilich, es sind gerade diese Tage. Drum hab' ich auch das Ziehen in den Beinen. Dritter September ist heute. Also wahrscheinlich am sechsten. Ich werde heute Veronal nehmen. O, ich werde mich nicht daran gewöhnen. Nein, lieber Fred, du mußt nicht besorgt sein. In Gedanken bin ich immer per Du mit ihm. – Versuchen sollte man alles, – auch Haschisch. Der Marinefähnrich Brandel hat sich aus China, glaub' ich, Haschisch mitgebracht. Trinkt man oder raucht man Haschisch? Man soll prachtvolle Visionen
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