Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fortune de France: Roman (German Edition)

Fortune de France: Roman (German Edition)

Titel: Fortune de France: Roman (German Edition)
Autoren: Robert Merle
Vom Netzwerk:
geschnitzt als sein älterer Bruder. In der Legion strebte er mit Fleiß danach, sein Los aufzubessern. Er zeigte sich tapfer und ausdauernd, und obgleich er kein Wort von seiner Lizentiatur in der Heilkunst hatte verlauten lassen (aus Angst, mit dem Amte eines Feldschers fürliebnehmen zu müssen, was ihm nicht geschmeckt hätte), behandelte und verband er die Wunden seiner Waffengefährten, wofür er geschätzt ward von den einfachen Kriegsmannen wie den Truppenführern.
    Er diente nicht nur fünf Jahre, sondern deren neun, nämlich von anno 1536 bis anno 1545, und jeder Feldzug brachte ihm eine weitere Wunde und einen höheren Rang ein. Vom Rottenführer stieg er auf zum Fähnrich, vom Fähnrich zum Leutnant. Und vom Leutnant ward er schließlich anno 1544 – mit Schuß- und Stoßwunden in allen Körperteilen, ausgenommen die lebenswichtigen – zum Hauptmann befördert.
    Dieser Rang war in der Legion der höchste, zu dem ein einfacher Soldat aufsteigen konnte, und bedeutete den Befehl über tausend Legionäre, einen Sold von 100 Livres pro Monat Feldzug sowie einen größeren Beuteanteil beim Plündern der Städte. Doch was mein Vater noch höher schätzte: sein neuer Rang zog die Erhebung in den Adelsstand mit dem Titel eines Junkers nach sich, auf edele Art erworben mit Tapferkeit und Blut, nicht etwa durch Geld oder die Gefälligkeit eines Eheweibes.
    Am gleichen Tage, da mein Vater den Hauptmannsgrad erhielt, ward auch sein Freund und Gefährte in guten wie in bösen Tagen, Jean de Sauveterre, befördert. Zwischen beiden Männern waren in den Wechselfällen der Schlachten und angesichts der Todesgefahr, aus der sie einander viele Male errettet, die Bande einer außergewöhnlichen Zuneigung gewachsen, der weder die Zeit noch die Widrigkeiten des Lebens noch die Heirat meines Vaters etwas anzuhaben vermochten. Jean de Sauveterre zählte fünf Jahre mehr denn Jean de Siorac, war so dunkel an Haut und Haaren wie letzterer blond, hatte ein vernarbtes Gesicht und war kurz angebunden in seiner Rede.
    Mein Vater blieb nicht lange Junker. Anno 1545 kämpfte er so tapfer bei Ceresole d’Alba, daß der Herzog von Enghien, welcher an jenem denkwürdigen Tage den Befehl führte, ihn noch auf dem Schlachtfeld zum Ritter schlug. Die Freude meines Vaters ward indessen durch eine schwere Verwundung getrübt, die Jean de Sauveterre erlitten und durch welche sein linkes Beinlahm blieb. Nach dem Feldzug konnte er bestenfalls seine Versetzung zum Dienst in einer Zitadelle erwarten, was die Trennung von dem anderen Jean bedeutet hätte, welcher Gedanke für den einen wie den anderen ganz unerträglich war.
    Während ihnen nun die Zukunft in solcherart trübem Licht erschien, schied mein Großvater Charles aus dem Leben. Er hatte kaum Zeit gehabt, sich an dem Glanze zu erfreuen, welchen der Aufstieg seines Zweitgeborenen der Familie verlieh. Er erwartete freudig den baldigen Besuch seines Sohnes, des »Che valier de Siorac«, wie er ihn überall unter den Bürgern von Rouen ankündigte, als er von einem üblen Darmleiden – einem Miserere 1 , wie man sagte – erfaßt ward. Er verschied in Schweiß und Schmerzen, ohne seinen Jüngsten wiedergesehen zu haben, den einzigen Sohn, der ihm verblieben, und das einzige seiner Kinder, das er wirklich liebte, denn wie ich schon vermeldet, bedeuteten ihm seine Töchter nichts.
    Der Chevalier de Siorac nahm sein Erbteil in Empfang, welches sich auf 7537 Livres belief, und kehrte in sein Feldlager zurück, wo er sich mit Jean de Sauveterre in das Zelt, das sie teilten, zurückzog, mit diesem gemeinsam aufzurechnen, wie hoch ihr Vermögen wäre. Dank ihrer Sparsamkeit und ihrer Abneigung gegen Spiel und Wein, die beiden Lasterpfühle des Soldaten, hatten sie ihr Soldgeld zu sparen vermocht und auch nur wenig von ihrem Beuteanteil aufgebraucht. Zudem hatten sie im Laufe der Jahre einem ehrlichen Juden zu Rouen größere Summen Geldes anvertraut, damit er sie durch Wucher vermehre, und so fanden sie sich nun gemeinsam im Besitz von 35   000 Livres, welches Vermögen ihnen ausreichend erschien, sich auf dem Lande niederzulassen, ohne dabei einen Unterschied zwischen dem, was dem einen und was dem anderen gehörte, machen zu wollen, denn sie gedachten von nun an alles zu teilen – den Gewinn wie den Verlust.
    So verließen die beiden Jeans mit der Einwilligung des Generalleutnants und zu dessen Bedauern die Normannische Legion, samt ihren Pferden, Waffen, Schätzen und drei wackeren Soldaten
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher