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For the Win - Roman

For the Win - Roman

Titel: For the Win - Roman
Autoren: Cory Doctorow
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leicht unterschiedliche Formen – Kühe sind schließlich nicht genormt – , und manche waren von besserer Qualität als andere. Für den Schuh, den sie aktuell herstellten, ein italienisches Modell, brauchte man auf jeder Seite sechs verschiedene Stücke, und nicht alle davon waren sichtbar. Die Teile im Inneren mussten also nicht unbedingt aus dem besten Leder bestehen, die Außenteile aber schon. All das hatte Matthews Vater sich vergegenwärtigt, während er auf seinem Stuhl gesessen und die Diskussionen verfolgt hatte. Er hatte schon immer gern gezeichnet und besaß ein gutes räumliches Vorstellungsvermögen.
    Ehe ihn sein Boss aus dem Büro werfen konnte, nahm er all seinen Mut zusammen, schnappte sich einen Stift vom Tisch und angelte eine zerknitterte Zigarettenschachtel aus dem Müll. Darin hatten teure ausländische Zigaretten gesteckt, wie sie alle Fabrikbesitzer als Zeichen ihres Wohlstands rauchten. Auf der aufgerissenen Schachtel skizzierte er rasch und säuberlich eine Kuhhaut und zeigte seinem Boss im Handumdrehen, wie man den Schuh am effizientesten ausschnitt: ein Design, bei dem man zehn Paar Schuhe aus einer einzigen Haut gewann.
    »Zehn?«, fragte der Boss.
    »Zehn«, bestätigte John stolz. Er wusste, dass Meister Yu, der normalerweise die Designs entwarf, nie mehr als neun geschafft hatte. »Elf, wenn Sie eine große Haut verwenden oder kleine Schuhe machen.«
    »Und kannst du das auch schneiden?«
    Nun, vor diesem Tag hatte John noch nie in seinem Leben Leder geschnitten. Heute früh jedoch war er zwei Stunden früher aufgestanden, vor allen anderen, hatte seine alte Lederjacke genommen, die ihm sein Vater zum Schulabschluss geschenkt hatte (er trug sie seit zehn Jahren und hielt sie in Ehren), das schärfste Küchenmesser gezückt und die Jacke in Fetzen geschnitten. Er hatte geübt, bis er das Leder mit dem Messer genauso sicher schneiden konnte, wie er es sich vor seinem geistigen Auge ausmalte.
    »Ich kann es versuchen«, erwiderte er bescheiden. Der eigene Mut machte ihn nervös. Sein Boss war kein netter Mensch und hatte schon viele Angestellte wegen Ungehorsams entlassen. Wenn er ihn feuerte, würde er ohne Job und ohne Lederjacke dastehen. Bald war die Miete fällig, und die Familie hatte keine Rücklagen.
    Der Boss fixierte ihn. »Gut, dann versuch es.«
    Und von diesem Tag an war John nicht mehr Fahrer Fong, sondern Meister Fong, Juniordesigner der Infinite-Quality-Schuhfabrik. Kaum ein Jahr später war er der Chefdesigner, und der Familie ging es gut.
    Matthew hatte die Geschichte in seiner Kindheit so häufig gehört, dass er sie Wort für Wort mitsprechen konnte, wenn sein Vater sie erzählte. Es war mehr als irgendeine Geschichte: Es war die Familienlegende schlechthin, wichtiger als alles, was er in der Schule lernte. Abgesehen davon, war es natürlich auch eine ziemlich gute Geschichte mit einem glücklichen Ende. Dennoch war Matthew fest entschlossen, aus seinem Leben etwas zu machen, das eine noch bessere Geschichte ergeben würde. Er würde es nicht bei Meister Fong belassen, sondern irgendwann Boss Fong werden. Mit eigener Fabrik und eigenem Vermögen.
    Denn genau wie sein Vater hatte Matthew eine besondere Begabung.
    Wie sein Vater konnte sich Matthew eine bestimmte Art von Problem einfach anschauen und die Lösung dazu sehen . Nur drehten sich diese Probleme nicht um effiziente Schuhherstellung, sondern darum, Monster zu töten und deren Gold und deren Items einzusammeln – schneller und besser als irgendwer sonst, den er kannte.
    Matthew war ein Goldfarmer. Aber nicht bloß einer, der für sieben oder acht Yuan den Abend alles, was er fand, beim Besitzer eines Internetcafés ablieferte, der es dann auf dunklen Kanälen weiterverkaufte. Matthew war Meister Fong, der Goldfarmer, der einen Dungeon ein einziges Mal durchspielte und einem dann ganz genau sagen konnte, wie man ihn nächstes Mal spielen musste, um ein Maximum an Gold in einem Minimum von Zeit herauszuholen. Machte ein normaler Farmer vielleicht 50 Gold die Stunde, dann konnte Matthew 500 machen. Und wenn man Matthew dabei zusah, konnte man es hinterher selbst.
    Mr. Wing hatte Matthews Talent rasch erkannt. Mr. Wing mochte keine Spiele, und die Legenden Islands, Englands, IndiensoderJapansinteressiertenihnnicht.Mr.Wingwusste aber, wie man die Jungen in seinen Diensten motivierte. Er zeigte ihren Tagesgewinn auf riesigen Tafeln an und lud die Besten zu großzügigen Menüs und Baijiu-Partys mit jeder Menge
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