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Föhnfieber: Kriminalroman (German Edition)

Föhnfieber: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Föhnfieber: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Verena Wyss
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abgemacht den Schlüssel übergeben hatte,
hatte doch beim gemeinsamen Verlassen des Hauses die Tür abgeschlossen. Sie hatte
in der Erinnerung das leichte Klicken im Ohr. Sie zog den Schlüssel wieder aus dem
Schloss, ein durchschnittlicher Kaaba-Schlüssel, das entsprechende Schloss, drückte
die schwere Klinke, schob zögerlich die massive Holztür auf, mit Kraft, betrat den
mit großen Steinplatten gefliesten, dämmrigen Korridor, suchte nach dem Lichtschalter,
fand ihn zwei Meter entfernt an der Wand, schnupperte: Das Gemäuer roch nach Moder.
So hatte sie sich ihre Ankunft nicht vorgestellt. Die Tür links, richtig, es war
die Garage. Im Dunkeln glänzte das Auto. Angst befiel sie, und sie schalt sich eine
Närrin. Hatte sie im vergangenen Jahr nicht ihre Unerschrockenheit und ihren Mut
bewiesen? Dies war Huberts und Emilys Haus, es lag mitten in der Stadt, es hatte
Nachbarn mit einem Namen, die sie schon kennengelernt hatte, das Haus selbst hatte
einen Namen, Henneli, kleine Henne, morgen würde der Junge eintreffen, und ebenso
holte sie sich morgen den Hund. Es nützte nichts, sich die Normalität einzureden.
Ihre Hände fühlten sich klamm und feucht an. Ihr Atem ging flach. Letzteres ängstigte
sie noch mehr, etwas stimmte hier nicht, und sie ließ sich das nicht gefallen. Energisch
stieg sie die Treppe hoch.
    Gleich darauf
gab sie ein entsetztes Japsen von sich. Da oben stand ihr Koffer, über dem Koffer
lag ihre Regenjacke und die Kuscheldecke. Daneben lag schräg verrenkt ein Mensch,
sie sah weit aufgerissene Augen, ein verzerrtes Gesicht, sah ihren neuen Nachbarn
von vorhin, Herrn Rauscher, den Tapezierer. Pamela starrte auf lange, gelblich verfärbte
Zähne. Schräg aus dem Mundwinkel lief eine dünne dunkle Spur das Kinn hinunter,
verschwand in einer Halsfalte. Als wäre nicht sie es, legte Pamela zwei Finger auf
der anderen Seite an den dürren Hals. Das eine Auge starrte sie an. Unter den Fingern
war keine Regung, kein Puls, nichts. Jetzt lief sie, die Treppe hinunter, aus dem
Haus. In der Gasse stand sie schwer atmend still. Das Handy. Das war sie, die da
mit fliegenden Fingern versuchte, den Notruf der Polizei einzustellen, doch das
Display zeigte andauernd Tastensperre. Sie besann sich, sie ließ sich nicht verrückt
machen.
    Ausgerechnet
über ihrem Koffer zusammengebrochen und tot. Keine Möglichkeit, noch irgendjemanden
zu erreichen. Hätte er nur nicht diesen zur Seite gerissenen Mund gehabt, halb geöffnet,
als schrie er, als sähe er etwas Grauenvolles.
    Als Erste
waren die Sanitäter da gewesen. Nein, der Tote hatte nichts mit ihr zu tun. Er mochte
aus Neugierde oder vielleicht weil er meinte, noch etwas richten zu müssen, zurückgegangen
sein. Dann mochte das Treppensteigen zu viel gewesen sein. Sein Herz hatte das nicht
mehr ausgehalten. Es mochte einfach der Zeitpunkt seines Todes gewesen sein.
    Sie meinten,
so außergewöhnlich sei das nicht, heute sei extremer Föhn. Da würden die Leute halt
nicht so alt.
     
    *
     
    Etwas benommen durchwanderte Pamela
das Haus. Sie hatte es nicht als so spartanisch eingerichtet in Erinnerung gehabt,
funktional. Das Leben auf dem Schlösschen mochte ihre Optik verändert haben, doch
das mindeste, das zu sagen war: Das Innere kontrastierte zu seinem Äußeren. Es war
doch ein altes Stadthaus an der unteren Junkerngasse, dort, wo die Laube schon sehr
niedrig ist. Ein extrem schmales Haus mit einem dunklen Eingangskorridor, vom Keller
über drei Stockwerke zum Dachstock, mit Luke und winziger Blechterrasse zwischen
Dächern. Das wirklich Erstaunliche war die Garage gleich neben dem Hauseingang,
sie musste in eine frühere Werkstatt gelegt worden sein. Huberts Auto war ein dunkelblauer
Volvo-Kombi, ein teures Auto. Pamela nahm den unangebrachten Gedanken gleich zurück,
Hubert und Emily waren Doppelverdiener, hatten keine Kinder. Der Gedanke wäre Pamela
in Zürich nie gekommen. Das Landleben, trotz Roberts Schlösschen, schien sie verändert
zu haben.
    Zuunterst
vor dem Keller lag eine schmale Terrasse über dem steil zum Matte-Quartier hinunter
abfallenden Hang. Das mittlere Stockwerk, der Wohnbereich, war total erneuert, hell,
schwarz-weiß mit viel Chrom, japanisch oder chinesisch eben, keinerlei Schnick-Schnack.
Entsprechend war die Küche supermodern in Marmor mit Infusionsherd und unsichtbarem
Dampfabzug. Auf dem Glastisch lag ein kleines frisches Brot. Pamela schluckte, ein
Willkommensbrot, das Herr Rauscher hingelegt hatte. Hätte sie es doch
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