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Flutgrab

Flutgrab

Titel: Flutgrab
Autoren: Meister Derek
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schwerem Seegang stürzen, aber dem fetten Kaufmann hatten sie nicht standgehalten. Einige Zinnteller ragten gefährlich neben Rungholt aus dem Fett. Er wollte sich zur Seite drehen, da durchfuhr ihn ein brennender Schmerz. Etwas hatte sich in seinen Rücken gebohrt.
    »Du blutest.« Alheyd schlug behutsam Rungholts rußig-nassen Tappert beiseite. Eine Lache sickerte unter seinem Rücken hervor über die Butter, dennoch keuchte er Alheyd und dem Fremden zu, ihm aufzuhelfen. Hilde leuchtete mit der Fackel, während die beiden den vor Schmerz fluchenden Rungholt aufrichteten.
    In seinem Rücken steckte das Stück einer kostbaren Glasphiole. Die Scherbe war zwei Daumenbreit in sein Fleisch eingedrungen.
    »Ich hole einen Arzt.«
    »Nein«, entfuhr es Rungholt. »Auf keinen Fall! Willst du, dass ich krepiere? Quacksalber, verfluchte Brut … Mir geht’s ja gut, Weib. Mir geht’s gut.« Er wischte sich das Wasser aus dem Gesicht und wandte sich an den Fremden. »Ihr! Ihr zieht es raus.«
    Der Mann nickte bloß und fragte ruhig: »Mit einem Ruck oder langsam?«
    Normalerweise reichte Rungholt ein kurzer Blick, um sein Gegenüber einzuschätzen – doch bei diesem Fremden fiel es ihm schwer. Die schwarze, pelzverbrämte Schecke, die gezattelten Beinlinge und das mit Gulden Stuckh verzierte Wams wiesen ihn als Ratsmitglied aus, doch Rungholt hatte ihn noch nie im Rathaus gesehen. Und ein derart hagerer Ratsmann wäre ihm sicherlich aufgefallen unter all den bierbäuchigen Kaufleuten. Hier im Dunkel des Dachbodens vermochte Rungholt nicht zu sagen, ob er einem Edelmann oder einem Gauner gegenüberstand.
    Angewidert wandten sich die Frauen ab, als der Fremde nach der Scherbe griff. Er ließ seine Finger auf Rungholts Rücken ruhen und zog nicht sofort. »Bereit?«, fragte er.
    »Wie heißt Ihr? Warum seid Ihr hier?«
    »Ich bin de Kraih. Und ich soll Euch abholen.« Der Mann seufzte, als sei ihm die Antwort peinlich. »Aber das sollten wir Männer unter uns besprechen.«
    »De Kraih?« Rungholt hatte den Namen noch nie gehört. Die Krähe, dachte er. Wie passend bei einem Mann mit solcher Nase. »Mitten in der Nacht wollt Ihr mich abholen?«
    »Ja. Aber ich denke, die Verschwiegenheit kommt auch Euch gelegen.«
    »Verschwiegenheit endet oft mit einem Messer im Rücken«, entgegnete Rungholt ernst, wandte sich halb um und fixierte das langgezogene Gesicht. »Wer schickt Euch?«
    »Das kann ich Euch leider nicht sagen«, meinte der Mann mit einem Seitenblick zu den Frauen. »Es ist besser so, glaubt mir.«
    »Warum sollte ich mitkommen?«
    »Weil Euch …« De Kraih beugte sich vertraulich vor und flüsterte: »Weil Euch das Wasser bis zum Hals steht. Wörtlich, will ich meinen, Rungholt. Denkt an Eure Brauerei.« Ein kaltes Lächeln umspielte seine Lippen.
    »Sprecht ruhig laut. Ich habe keine Geheimnisse vor meinem Eheweib und …« Das war eine Lüge, doch bevor Rungholt weitersprechen konnte, zog de Kraih mit einem Ruck die Scherbe aus seinem Fleisch.
    Abermals drang Rungholts Schrei durch die Nacht.
    Die Scherbe war gerade eingedrungen und hatte sein Rückgrat um zwei Zoll verfehlt. Butter und Ruß hatten die Ränder der Wunde verschmiert, sodass Alheyd alle Mühe hatte, mit einem in Rotwein getränkten Leinenfetzen alles sauber zu reiben. Abermals wollte sie nach dem Wein greifen, aber Rungholt hatte die Karaffe bereits ausgetrunken. Jammernd hing er über dem Tisch in seiner Scrivekamere, das Kleid hochgeschoben, und sah missmutig zu, wie seine junge Frau in einen der Salzsäcke griff, um eine gehörige Prise herauszufischen.
    »Wird etwas brennen. Bist du bereit?«
    »Das teure Zeug an mich zu verschwenden.« Rungholt biss die Zähne zusammen und nickte. Der Schmerz kam in zwei Schüben: Als Erstes fürchterliches Brennen und kurz darauf ein atemraubendes Pochen, das sich bis in seinen linken Arm zog.
    Auch eine halbe Flasche Rotspon später hatte er sich geweigert, nach einem Arzt zu rufen. Stattdessen war er, Alheyd hinterdrein, von de Kraih weg in seine Dornse gehumpelt. Das Bett im ersten Stock war ihm zu nass. Der Anblick der überlaufenden Kannen und Schüsseln hätte ihn nur ein weiteres Mal erzürnt.
    »Wahrscheinlich müssen wir die Wunde ausbrennen.«
    Rungholt brummte. »Ach was. Das verheilt so.«
    In der Dornse war es äußerst warm und weniger schwül als im Haus. Sie teilte sich den Kamin mit der Feuerstelle der Diele, und die Glut vom Abendessen vertrieb jegliche Nachtkühle.
    »Wir sollten uns
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