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Flutgrab

Flutgrab

Titel: Flutgrab
Autoren: Meister Derek
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viel zu lange gedauert.
    Die Tür hinter sich zuschlagend, eilte er aus dem Zimmer, polterte, so schnell es seine Knöchel zuließen, die steile Treppe zum ersten Dachboden hinauf. Der Schein einer Tranlampe, die Contz neben dem Aufgang vergessen hatte, zeigte Rungholt das Ausmaß des Unheils.
    In dem niedrigen Dachboden, in den sie über ein Schwungrad komplette Karren voller Waren heraufziehen konnten, stand die schwüle Sommerluft. Die Feuchte tat ein Übriges, um Rungholt binnen weniger Augenblicke schwitzen zu lassen. Er spürte, wie sein Herz flatterte, und rang nach Atem.
    Zwar hatten die Frauen mit Contz einige Truhen voller Pelze und ein paar Gewürzsäcke beiseitegeschoben, jedoch aus irgendeinem Grund nicht alles gerettet. Fünf Bücherfässer standen noch immer dort, wo Rungholt sie vorletzten Sommer eingelagert hatte. Halb so schlimm, die Tonnen waren seetauglich. Schlechter als den Büchern erging es den Tuchballen und einigen abgedeckten Stapeln Fehs, denn das Wasser hatte sich über die rauen Bodenbretter, deren Ritzen mit Spelzen und Mäusedreck verschlossen waren, seinen Weg zu ihnen gebahnt. Wahrscheinlich hatte Alheyd gedacht, die Waren stünden weit genug von dem Loch im Dach weg.
    »Der Teufel soll diese Weiber holen«, knurrte Rungholt und überschlug den Wert der Eichhörnchenfelle. Sie stammten aus Novgorod. Er hatte sie als Notgroschen für solche Zeiten der Hungersnot gedacht. Wenn auch nur die Hälfte davon fleckig werden sollte, war das Geld eines halben Jahres verloren. Vergeblich versuchte er, die Fellstapel ein paar Klafter weiter zu ziehen, sie waren viel zu schwer.
    Ein Donnern zerriss das Trommeln des Regens und ließ den Flaschenzug kaum merklich erzittern. Sein feines Klirren hielt an, als der Donner längst verklungen war. Rungholt meinte, das Haus beben zu spüren. Er schwang die Tranlampe. In der Ecke über dem Schlafzimmer sah es aus, als regnete es von der Decke. Es fehlten nur noch die Gewitterwolken unter dem Gebälk. In feinen Strömen lief das Wasser herab und pladderte lautstark auf die Bretter. Widerliches Wasser. Es war wie eine schimmernde Hand, die mit ihren klafterlangen Fingern mehr und mehr von seinem Hab und Gut an sich riss. Das Wasser lief die Ritzen entlang und nahm Elle um Elle des Dachbodens in Besitz. Tausende Tropfen, die sich zu einer stummen Armee vereinten und ihn hinwegspülen wollten.
    Wenn es so weiterschüttet, wird dieses Scheißwasser meine Diele fluten und mir schließlich beim Unterschreiben der Verträge ein Loch in den Schädel tropfen. Das muss ein Ende haben. Augenblicklich!
    »Coooooooontz!«, schrie er abermals, aber seine Worte wurden vom nächsten Donner geschluckt. Unwillkürlich zuckte er zusammen. Dann schnappte er sich eine Leiter, um auf den zweiten Dachboden hinaufzusteigen. Wieso hatten diese dummen Gänse die Schüsseln und Kannen erst im Schlafzimmer untergestellt, anstatt sie ganz nach oben zu schaffen?
    Direkt unter dem First konnte er noch weniger atmen, und das Klopfen des Regens war ohrenbetäubend. Vom Wind gepeinigt, knarzten selbst die schulterbreiten Baumstämme, die als Pfetten das Dach trugen. Rungholt schob sich am Schornstein vorbei, der hier oben im Inneren des Hauses endete. Sein Qualm sollte sich auf das Getreide legen und es haltbar machen, auch wenn es dann stets nach Ruß schmeckte. Alle Fässer und selbst die kostbaren geölten Schnitzaltäre, die Rungholt seit Jahren vergeblich feilbot, hatten diesen Qualmgeruch angenommen. Weil er mit dem Bauch am versottenden Stein entlangschrubbte, saute er sich seinen teuren Tappert von oben bis unten ein. Das mit Pelz verbrämte und mit Kaninchenfellen gefütterte Gewand war augenblicklich schwarz vor Ruß und Dreck.
    Rungholt quetschte sich weiter vor und zwischen den letzten beiden Stockfischfässern hindurch, als seine Säfte vollends zu kochen begannen. Hinter den Fässern schlug der Wind ihm entgegen, ein Prasseln und Toben, als stünde sein Haus auf einer Klippe an der See. Der Regen – die Gischt eines fremden Meeres. Zwei der Rinderfelle, die Contz fertig befestigen sollte, als Dartzow Rungholt abgeholt hatte, waren abgerissen und flatterten im Sturm. Außerdem waren weitere Schindeln fortgerissen worden, sodass der Regen ungehindert ins Haus pladdern konnte. Grimmig packte er eine Truhe und schob sie unter das Loch. Nach zwei Anläufen gelang es ihm, seine einundzwanzig Lispfund hinaufzuziehen. Er streckte seinen Kopf hinaus, stand stöhnend und nach Atem
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