Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Flußfahrt

Flußfahrt

Titel: Flußfahrt
Autoren: James Dickey
Vom Netzwerk:
ist. Was wir sonst an Ausrüstung brauchen, habe ich schon beisammen. Zieht Tennisschuhe an. Bringt Alkohol mit und gute Laune.«
    Wir verabschiedeten uns. Draußen schien die Sonne. Ich ging die Straße entlang und dachte nach. Ich hatte mich schon ein bißchen verspätet, aber das machte nichts. Wir waren schließlich kein Expreßdienst, eine Formulierung Thads, die zu seiner Genugtuung in der Stadt die Runde machte und innerhalb kurzer Zeit wieder zu uns zurückkam. Wir hatten das Atelier vor ungefähr zehn Jahren, von dem – jetzt siebzigjährigen – Mann übernommen, der es gegründet hatte und der sich jetzt seinen lebenslangen Wunsch erfüllte, in Cuernavaca als freier Künstler die Touristen zu porträtie-ren. Irgendwie machte es Spaß, bei Emerson-Gentry zu arbeiten, jedenfalls wenn man daran dachte, wie es in den anderen Ateliers der Stadt zuging. Thad hatte sich allmählich zu einem ganz passablen Geschäftsmann gemau-sert, und wenn ich mich richtig ins Zeug legte, war ich als Chefgraphiker und Art-Director besser als andere. Das Atelier wimmelte von freundlichen Durchschnittsgestalten, die in New York gescheitert und nun für immer in den Süden zurückgekehrt waren. Es waren durchaus fähige Leute, auch wenn wir keine sehr hohen Anforderungen an sie stellten, und wenn sie nicht gerade an Layouts oder Klebeentwürfen arbeiteten, saßen sie, die Hände hinter dem Kopf verschränkt, zurückgelehnt vor ihrem Zeichenbrett und starrten auf das, was darauf zu sehen war.
    Gelegentlich hatten wir auch junge Leute, die gerade von der Kunstschule – oder, seltener, von der Ingenieurschule – kamen und ungefähr alle sechs Monate einmal einen erstaunlich guten graphischen Einfall hatten, während sie sonst nur mit Absurditäten aufwarten konnten. Keiner von ihnen blieb lange; entweder sammelten sie bei uns ihre ersten Erfahrungen und nahmen dann besser bezahlte Jobs an, oder sie wechselten nach einiger Zeit überhaupt den Beruf.
    Seit Thad und ich die Firma führten, hatten wir auch ein paar Leute eingestellt, die sich als wirkliche Künstler betrachteten und die Arbeit bei uns im Grunde für unter ihrer Würde hielten und sie nur taten, um am Feierabend, an den Wochenenden und in den Ferien sich der wahren Kunst widmen zu können. Das waren die traurigsten Fälle: trauriger als der ehemalige Bomber-Kopilot, der nun Papiersäcke für Düngemittel entwarf; trauriger als der junge Mann, der die Design-Schule absolviert hatte und allmählich einsah, daß er den Beruf würde aufgeben müssen, weil er es darin zu nichts brachte. So hatten wir einmal einen Hiesigen in mittlerem Alter gehabt, der in seinem Arbeitsraum bei uns Utrillo-Drucke aufhängte und den Eindruck zu erwecken suchte, als sei die Arbeit hier für ihn eine Art Zwischenstation, wo man sich bestimmt an ihn erinnern würde, wenn er erst einmal gegangen war. Aber wenn wir ihn behalten hätten, säße er sicher heute noch bei uns. Nachdem wir ihn entlassen hatten, arbeitete er noch eine Zeitlang in einem anderen Atelier, und dann verloren wir ihn ganz aus den Augen. Ich habe nie jemanden gesehen, der sich so leidenschaftlich für Kunst interessierte. Im Gegensatz zu Lewis hatte er nur ein Interesse, und er war fest davon überzeugt, daß er genügend Talent besaß, um zu mehr als nur zu lokalem Ruhm zu gelangen; für die Künstler und Sonntagsmaler kannte er nur Verachtung, und er lehnte es ab, auch nur eine ihrer Ausstellungen zu besuchen. Ständig redete er davon, Braques Collagetechnik auf die Layouts anzuwenden, die wir gerade für Werbebroschüren für Düngemittel und für die Werbung von zellstoffverarbeitenden Fabriken anfertigten, und es war eine große Erleichterung für mich, das nun alles nicht mehr anhören zu müssen.
    Denn inzwischen lief der Laden als Werbeatelier ganz hübsch, wie sich zeigte, und ich war damit sehr zufrieden; ich hatte nicht die geringsten Ambitionen und kannte unsere Grenzen, und ich sah auch keinen Anlaß, irgendwelchen Genies auf dem Weg ins Whitney-Museum oder in den Selbstmord eine vorübergehende Bleibe zu bieten. Ich wußte, daß wir unter einem guten Stern standen und wahrscheinlich auch weiterhin stehen würden, daß wir unseren Erfolg hauptsächlich der Tatsache verdankten, daß in unserem Umkreis keine graphischen Raffinessen gefragt waren. Den Aufträgen, die wir erhielten, wurden wir gerecht, und die Geschäftslage war so, daß jeder bei uns sein Auskommen hatte, selbst die weniger fähigen Mitarbeiter,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher