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Flußfahrt

Flußfahrt

Titel: Flußfahrt
Autoren: James Dickey
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stand eine kurze Notiz über Drews Tod darin, und daneben war ein altes Foto, das man während seiner College-Zeit aufgenommen hatte. Das war alles. Den Rest des Tages arbeitete ich hart, und als ich nach Hause fuhr, kam es mir vor wie ein Wunder, so frei zu sein.
    Und so endete es – außer in meinen Gedanken, in denen sich alle Ereignisse allmählich vertieften und zu dem wurden, was sie wirklich waren und was sie mir allein bedeuteten. Bei jedem fremden Autoscheinwerfer, dessen Licht sich unserem Haus nähert, und bei jedem Telefonanruf, bei dem sich eine fremde Stimme meldet, sei es im Büro oder zu Hause, oder wenn Martha mich unerwartet im Büro anruft, zucke ich immer noch leicht zusammen.
    Eine Zeitlang las ich aufmerksam beide Tageszeitungen, die es in der Stadt gibt, aber nur einmal starrte mir das Wort Cahulawassee entgegen, und das war, als sie den Staudamm bei Aintry vollendeten. Der Gouverneur weihte ihn ein, es gab eine Feier mit College- und Schulorchester, und der Gouverneur hatte angeblich eine ausgezeichnete Rede gehalten über die Vorteile hauptsächlich auf dem Gebiet der Elektrizität und für die Industrie – , die der Staudamm dem Gebiet bringen würde, und er hatte auch die zahlreichen Erholungsmöglichkeiten erwähnt, die hier existieren würden, sobald sich der Stausee gebildet hatte. Mit jeder Nacht, in der dort das Wasser höherstieg, schlief ich besser und spürte, wie sein dunkles Grün an den Felsen emporkletterte, wie es nach den Vorsprüngen tastete, an denen ich Halt gesucht hatte, wie es sich allmählich hochzog – bis ich schließlich so tief schlief wie Drew.
    Wenige Tage, nachdem ich den Bericht in der Zeitung gelesen hatte, wußte ich endgültig, daß das Grab des Mannes, den wir im Wald verscharrt hatten, unter Wasser stand, und seit dem Beginn der Überflutung sanken Drew und der andere Mann immer tiefer und tiefer, Hunderte und Hunderte Tonnen Wassers und mit ihnen Dunkelheit stauten sich über ihnen auf, mehr und mehr gerieten sie außer Sicht, mehr und mehr aus unserem Leben.
    Aber es geschah noch etwas Seltsames. Der Fluß und alles, was ich mit ihm in Verbindung brachte, wurden mein Besitz, mein eigener, mein ganz persönlicher Besitz. So, wie ich noch nie in meinem Leben etwas besessen hatte. Er floß jetzt nur noch in meinem Kopf, aber dort floß er, in alle Ewigkeit. Ich spürte ihn und spüre ihn noch heute – an verschiedenen Stellen meines Körpers. Auf irgendeine seltsame Weise genieße ich es, daß es den Fluß nicht mehr gibt, ich ihn aber besitze. Er ist immer noch in mir und wird in mir sein, solange ich lebe – grün, felsig, tief, schnell, langsam und von einer Schönheit jenseits aller Wirklichkeit. Dort hatte ich einen Freund, der irgendwie für mich gestorben war, und mein Feind war auch dort. Auf gewisse Weise ist der Fluß in allem, was ich tue. Immer findet er einen Weg, mir zu helfen, vom Bogenschießen bis hin zu meinen neuen Anzeigen und den neuen Collagen, an denen ich mich seit einiger Zeit für meine Freunde versuche. George Holley, mein alter Braque-Enthusiast, hat mir eine abgekauft, als ich ihn wieder einstellte, und sie hängt jetzt in seinem kleinen Arbeitsraum, und ihre fließenden Windungen ziehen sich durch Schlagzeilen, in denen von Krieg und Studentenrevolten die Rede ist. George ist jetzt neben Lewis mein bester Freund. Oft führen wir ernste Gespräche über Kunst und unterhalten uns länger, als wir eigentlich dürften, da mit den neuen Aufträgen die Arbeit im Büro beträchtlich zugenommen hat.
    Bobby habe ich nur noch ein- oder zweimal in der Stadt getroffen, und wir haben uns nur kurz über die Straße hinweg zugenickt. Seinem Aussehen nach könnte ich nicht sagen, wie es ihm ging, aber er hatte wieder die betont leutselige, fast ein bißchen gehässige Art angenommen, die er schon früher gehabt hatte, und ich war froh, nichts mit ihm zu tun zu haben; er würde für mich immer nach Ballast aussehen, für mich würde er immer winseln, und das war nichts für mich.
    Später erfuhr ich, daß er bei seiner Firma gekündigt und versucht hatte, mit einem Partner ein eigenes Geschäft aufzumachen, eine Brathähnchenstube, die in der Nähe der Ingenieurschule lag, aber nach einem Jahr machten sie pleite, und er zog in eine andere Stadt und dann, wie ich hörte, nach Hawaii.
    Thad und ich kommen viel besser miteinander aus als vorher. Die Arbeit im Atelier ist immer noch langweilig, aber nicht mehr ganz so langweilig wie
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