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Flügel aus Asche

Flügel aus Asche

Titel: Flügel aus Asche
Autoren: Kaja Evert
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blaue Farbe? Kritzelst du damit herum, wenn du nicht gerade die Zauber der Akademie ruinierst?«
    Mit einem Ruck stülpte er den Beutel um und ließ die schwarzgrauen Wurzeln aufs Pflaster prasseln, um sie gleich darauf mit dem Absatz zu zertreten. Dunkle Flüssigkeit quoll hervor, rann über die Steine und vermischte sich mit dem Wasser der Pfützen zu einem intensiven Blau. Das war das Blau, von dem Charral gesprochen hatte, das wahre Wesen der Rakashwurzeln, die Farbe des Himmels.
    »He, was ist das?«
    Charral bückte sich und hob etwas Weißes von der Straße auf. Vor Adeens Augen entrollte er das tintenfleckige Papier. Es musste ihm aus dem Ärmel gefallen sein, als er Charral angerempelt hatte.
    »Papier der Akademie? Was glaubst du, wer du bist, Krähe?«
    Adeen biss sich auf die Lippen. Nach den Gesetzen des Herrschers gab es keine Rechtfertigung für seinen Diebstahl. Er sah zu, wie Charral die Bögen in kleine Fetzen zerriss, die langsam vor ihm zu Boden flatterten. Die geflügelten Wesen in seinem Kopf schrien, betrogen um ihre Hoffnung, Gestalt anzunehmen.
    »Nein!«
    Adeen hörte den Widerhall seiner Stimme in den Ohren, und dann war es, als würde er sich selbst zusehen, wie er sich auf Charral stürzte, um mit den Fäusten auf sein glattes, schönes Gesicht einzuschlagen.
    Es war undenkbar, dass eine Krähe wie er einen Magier auch nur berührte. Er wusste, dass er einen Fehler beging, dass er nur verlieren konnte, aber all das hatte plötzlich keine Bedeutung mehr. Er warf sich gegen Charrals Körper, doch ebenso gut hätte er gegen eine Mauer anrennen können. In der Dämmerung glühte Charrals magischer Schutzschild blauweiß auf, zischte, und Funken zuckten über seine Kleidung und die nackte Haut seiner Hände. Adeen stolperte benommen zurück, doch schon mit dem nächsten Atemzug warf er sich erneut auf den Gegner. Er zielte auf sein Gesicht, doch seine Fäuste gingen ins Leere.
    Charrals Finger zuckten, beschrieben verschlungene Zeichen. Dann sprang ein blendendes Licht zwischen seinen Händen hervor, und Adeen traf ein Schlag, der ihn weit nach hinten schleuderte. Er prallte so hart mit dem Rücken gegen eine Hauswand, dass ihm die Luft wegblieb und weißglühende Punkte vor seinen Augen wirbelten. Im nächsten Moment stand Charral über ihm. Adeen konnte ihn nur anstarren – der Zauber hatte seinen Körper gelähmt, und er vermochte sich nicht zu rühren. Charrals Stiefel trat ihm gegen die Rippen, dann ins Gesicht. Er konnte spüren, wie seine Lippen aufplatzten, aber es tat nicht einmal weh. Vielleicht gehörte auch das zur Wirkung des Zaubers.
    Auf einmal blitzte Metall in Charrals Hand auf. Mit Entsetzen erkannte Adeen eine »Drachenzunge«, einen Dolch mit doppelter Spitze, wie ihn die adligen Magier als Zeichen ihres Standes mit sich führten.
    »Das wird dich lehren, Hand an mich zu legen, Krähe!«
    Adeens Arme und Beine begannen zu prickeln, offenbar verlor der Lähmungszauber allmählich seine Wirkung. Doch noch immer wollte es ihm kaum gelingen, auch nur eine Hand zu heben. Es war, als laste ein Gewicht auf ihm und drücke ihn zu Boden. So würde er es nie schaffen, einem Dolch –
    »Hör auf damit!«
    Eine Stimme schnitt durch das Halbdunkel. Undeutlich sah Adeen, wie Charral den Kopf wandte. Sein Gesichtsausdruck veränderte sich abrupt, das boshafte Grinsen erstarrte ihm auf den Lippen, und er zog sich ein Stück von Adeen zurück. Beinahe wirkte er schuldbewusst.
    »Talanna?«, stieß er hervor. »Was machst du hier?«
    »Das frage ich dich!«
    Das Kribbeln in Adeens Gliedern wurde stärker. Er nutzte den Moment, in dem Charral abgelenkt war, um sich halb hochzustemmen und von ihm wegzukriechen. In seinen Ohren rauschte es, nur gedämpft drangen die Stimmen zu ihm durch. Er versuchte sich aufzurichten, doch sein Körper gehorchte ihm nicht. Die Straße kreiste um ihn, er konnte nicht einmal ausmachen, wo oben und wo unten war.
    »Ist dir deine Zeit nicht zu schade für solchen Unsinn?« Es war eine Frauenstimme, das erkannte Adeen nun, rauh und voller Zorn.
    »Es ist die Krähe, Talanna. Ich habe dir von dem Kerl erzählt. Er sorgt ständig für Ärger bei den Schreibern, und dieses Mal hat er es sogar gewagt, Papier zu stehlen – ich habe ihm nur gezeigt, wo sein Platz ist.«
    Adeen hätte es nicht für möglich gehalten, Charral einmal so kleinlaut zu erleben. Die Frau schnaubte nur. »Er war offensichtlich eine große Bedrohung für dich, und du konntest ihn dir nur mit
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