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Flucht im Mondlicht

Flucht im Mondlicht

Titel: Flucht im Mondlicht
Autoren: N. H. Senzai
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»Hab noch etwas Geduld. Wir brechen bald auf.«
    »Pst!«, zischte Noor und funkelte die beiden zornig an.
    Fadi wollte sie gerade mit einem drohenden Blick warnen, ihn ja nicht zu schlagen, als sie aus einer Seitenstraße einen Motor dröhnen hörten.
    »Still jetzt, alle drei!«, schimpfte Habib und spähte die Straße hinunter.
    Zwei helle Lichtkegel näherten sich von dort, wo der grüne Lastwagen verschwunden war.
    Fadis Anspannung wuchs. Das ist derselbe Lastwagen . Der Motor röhrte. Dann wurde der Lastwagen langsamer und fuhr am Teeladen vorbei. Ein paar Häuser weiter blieb er stehen, als warte er auf etwas oder jemanden.
    Habib trat vor und warf einen Blick auf die Reihe von Zahlen, die seitlich aufgedruckt war. »Drei-zwei-neun-drei-acht«, flüsterte er. Dann schaute er auf einen Zettel in seiner Hand. »Schnell!«, befahl er und griff nach den Koffern. »Fadi, nimm Mariam mit.«
    Das ist er , dachte Fadi. Ihm klopfte das Herz bis zum Hals. Sein Vater hatte den Fluchthelfern zwanzigtausend Dollar – die gesamten Ersparnisse der Familie – gegeben, damit sie sie von Afghanistan ins benachbarte Pakistan brachten. Aber dort würden sie nicht bleiben. Sie hatten eine lange gefährliche Reise vor sich. Fadi packte Mariams Hand und hastete auf den Lastwagen zu. Noor folgte mit ihrer Mutter, die sie halb trug und halb mitzog, während Habib die Koffer schleppte.
    Mit Mariam an der Hand wich Fadi einer großen Wasserlache aus und lief um einen rostenden Schrotthaufen herum.
    »Wo fahren wir noch mal hin?«, keuchte Mariam.
    »Nach Peschawar«, flüsterte Fadi. »Das ist eine Stadt hinter der Grenze zwischen Afghanistan und Pakistan. Mutter hat dir erzählt, dass ihre Cousine dort wohnt, er­innerst du dich? Sie und ihr Mann leiten eine Klinik für Flüchtlinge. Die beiden werden uns an der Grenze abholen.«
    »Aha«, erwiderte Mariam und presste Gulmina an sich, während Fadi sie an einer schmalen dunklen Gasse vorbeizerrte.
    Neben einem ausgebrannten Auto blieb Fadi stehen, um auf die anderen zu warten. Noor und seine Mutter holten ihn und Mariam ein. Dann hörten sie rechts von ihnen einen Tumult, gefolgt von schnellen Schritten. Eine Gruppe Männer rannte vor ihnen vorbei, auf den Last­wagen zu. Zwei Frauen mit drei kleinen Kindern tauchten hinter einem Ölfass auf, das in der Nähe des Lastwagens stand, und kletterten auf die Ladefläche.
    »Beeilt euch«, rief Habib seiner Familie zu, während er mit aufgerissenen Augen vorbeihastete. »Wir müssen auf diesen Lastwagen.«
    Nun tauchten Dutzende von Menschen aus verschiedenen Verstecken auf und stürmten auf den Lastwagen zu. Fadi und Mariam folgten Noor und überholten ein paar Frauen, die einen bärtigen Alten mit eingefallenen traurigen Augen trugen.
    »Los, kommt, ihr zwei«, rief Noor über ihre Schulter. Sie stützte ihre Mutter und schob sie weiter. Energisch drängte sie sich an zwei halbwüchsigen Jungen vorbei, die Bündel unter den Armen trugen.
    Rücksichtslos wie immer , dachte Fadi und packte Mariams Hand fester.
    Er zog, aber Mariam rührte sich nicht von der Stelle. Was zum …? Er blickte zu ihr hinab und sah, dass sie mit Gulmina beschäftigt war.
    »Komm schon, Mariam«, drängte er.
    »Warte«, bat sie ihn und versuchte, ihre Barbie unter ihren Pullover zu stecken.
    »Wir haben keine Zeit.«
    »Kannst du Gulmina in deinen Rucksack tun?«, fragte sie und streckte ihm ihre geliebte Barbie entgegen.
    »Nein, jetzt nicht. Wir haben keine Zeit.« Fadi drehte sich zum Lastwagen um und zerrte Mariam hinter sich her.
    »Noor!«, rief Habib von vorne. »Bring deine Mutter hi erher.« Habib hatte die Koffer auf den Lastwagen geworfen und war auf die Ladefläche geklettert. Er ent­deckte Fadi und forderte ihn mit einem hektischen Win­ken auf, sich zu beeilen, dann wandte er sich wieder Noor zu, die gerade den Lastwagen erreichte. Habib beugte sich hinab und legte die Arme um seine Frau. Noor half von unten nach, während er Safuna über die Ladeklappe zog. Dann brachte er sie ins Innere des Frachtraums.
    Fadi begann zu rennen, den Blick auf die Stelle gerichtet, wo sein Vater verschwunden war. Mariam umklammerte seine Hand und versuchte keuchend, mit ihm Schritt zu halten. Habib erschien wieder am hinteren Rand der Ladefläche, und Fadi sah, wie er Noor die Hand hinstreckte, um sie hinaufzuziehen. Fadi war keine zehn M eter vom Lastwagen entfernt, als eine Familie in schmutzigen und zerrissenen Kleidern aus einem Lagerhaus neben ihnen stürzte
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