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Fluch, Der: Roman

Fluch, Der: Roman

Titel: Fluch, Der: Roman
Autoren: Stephen King
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aufgelöst oder den Tränen sehr nahe aus der Schule nach Hause gekommen. Sie hatte aufgehört zu essen.
    Ihr Gesicht war aufgequollen. Halleck, entschlossen, nicht übertrieben zu reagieren, hatte ihre Klassenlehrerin, den Vizedirektor und Lindas geliebte Miß Nearing, ihre Turn-und Cheerleading-Lehrerin, aufgesucht. Er hatte angenommen, daß es sich hauptsächlich um Teenagerhänseleien handelte – so grob und wenig komisch, wie solche Neckereien in der Junior Highschool nun eben waren, nicht sehr geschmackvoll, wenn man die Umstände bedachte, aber was konnte man von einer Altersgruppe erwarten, für die Witze, in denen tote Babys die Pointe waren, der geistreiche Höhepunkt?
    Er hatte Linda zu einem Spaziergang auf dem Lantern Drive überredet. Am Lantern Drive standen geschmackvolle, weitab von der Straße liegende Häuser, Villen, die am Straßenanfang grob geschätzt 75 000 Dollar wert waren und langsam auf 200 000 Dollar stiegen, wenn man ans Ende der Straße kam, wo der Country Club lag. Letztere waren mit Schwimmbad und Sauna ausgestattet.
     
    Linda hatte ihre alten Madrasshorts angehabt, die an einem Saum mittlerweile ausgefranst waren... und Halleck war aufgefallen, daß ihre fohlengleichen Beine jetzt so lang waren, daß der Gummizug ihres gelben Baumwollhöschens darunter hervorlugte. Er hatte ganz plötzlich eine Mischung aus Bedauern und Schrecken verspürt. Sie wurde erwachsen. Er nahm an, sie wußte, daß die Shorts ihr zu klein waren, zudem völlig abgetragen, aber er vermutete, daß sie sie angezogen hatte, weil sie die Verbindung zu einer tröstlicheren Kindheit herstellten, einer Kindheit, in der Daddies sich nicht vor Gericht verantworten und eine Verhandlung über sich ergehen lassen mußten (egal, wie abgekartet diese Verhandlung auch gewesen sein mochte, wenn der gute, alte Golfpartner, dieser betrunkene Busengrapscher, der sich an der eigenen Frau vergriffen hatte, den Hammer führte), eine Kindheit, in der die Schulkameraden während der vierten Stunde, wenn man gerade am Fußballfeld Lunch aß, nicht auf einen zugeschossen kamen, um zu fragen, wie viele Punkte der Daddy denn nun dafür gekriegt hätte, daß er die alte Lady überfahren hatte.
    Du verstehst doch, daß es ein Unfall war, nicht wahr, Linda?
    Sie nickt, ohne ihn anzusehen. Ja, Daddy.
    Sie kam zwischen zwei Autos hervorgerannt. Sie hat sich überhaupt nicht umgeguckt. Ich hatte keine Zeit mehr zu bremsen. Absolut keine Zeit mehr.
    Daddy, ich will das nicht hören.
    Ich weiß. Und ich will nicht darüber reden. Aber du hörst es doch. In der Schule.
    Sie sieht ihn ängstlich an. Daddy, du bist doch nicht...
    In die Schule gegangen? Doch. Aber nicht vor halb vier Uhr nachmittags. Gestern nachmittag. Es waren überhaupt keine Kinder mehr da, wenigstens das konnte ich sehen. Es wird niemand erfahren.
    Sie entspannt sich. Ein wenig.
    Ich habe gehört, daß die anderen Kinder dich ganz schön hart angefaßt haben. Es tut mir leid.
    Es war gar nicht so schlimm, sagt sie und faßt nach seiner Hand.
    Doch ihr Gesicht – die neuen, böse wirkenden Pickel auf ihrer Stirn – erzählt ihm eine andere Geschichte. Die Pickel verraten ihm, daß sie im Grunde ganz schön darunter leidet. Ein Elternteil im Gefängnis zu haben ist eine Situation, die nicht gerade in Judy Blumes Teenager-Zeitschrift behandelt wird (obwohl auch das bald geschehen wird).
    Ich habe auch gehört, daß du dkh sehr gut gehalten hättest, sagt Billy Halleck. Du hast dir nicht viel draus gemacht. Denn wenn sie einmal merken, daß sie deinen wunden Punkt gefunden haben...
    Ja, kh weiß, sagt sie niedergeschlagen.
    Miß Nearing hat gesagt, sie wäre ganz besonders stolz auf dich, sagt er. Das ist eine kleine Lüge. Miß Nearing hatte nicht genau das gesagt, aber sie hatte ganz sicher gut von Linda gesprochen, was Billy Halleck fast genausoviel bedeutet wie seiner Tochter. Und es wirkt. Ihre Augen leuchten auf, und sie sieht Halleck zum erstenmal ins Gesicht.
    Hat sie das gesagt?
    Das hat sie gesagt, bestätigt Halleck. Die Lüge flutscht ihm leicht und überzeugend über die Lippen. Warum nicht? Er hat in letzter Zeit eine Menge Lügen erzählt.
    Sie drückt seine Hand und lächelt ihn dankbar an.
    Sie werden ziemlich bald damit aufhören, Lin. Sie werden einen anderen Knochen finden, auf dem sie rumkauen können. Ein Mädchen wird schwanger werden, oder ein Lehrer bekommt einen Nervenzusammenbruch, oder irgendein Junge wird dabei erwischt, wenn er Haschisch oder
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