Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fleischmarkt

Fleischmarkt

Titel: Fleischmarkt
Autoren: Laurie Penny
Vom Netzwerk:
Jugendschutz geißelte das Häschen als Symbol des moralischen Niedergangs. Der Führer der englischen Konservativen David Cameron sprach sich gegen die Verwendung des Hasen in seiner Wahlkampagne 2010 aus und erklärte, dass »es nicht in Ordnung ist, wenn kleine Mädchen T-Shirts mit einem Playboy-Bunny drauf tragen, oder?«
    Aber das Playboy-Imperium selbst ist längst im Niedergang begriffen. In dem halben Jahrhundert, seit Gloria Steinem sich als House-Bunny einschlich, um die vom Playboy-Imperium verbreitete misogyne und zugleich verkitschte Auffassung der weißen, unterwürfigen Heteronormalität zu entlarven, hatte Hefner als Markenexperte wesentlich mehr Erfolg denn als Zuhälter und Pornograf. Selbst die immer wieder neuen Generationen von Playmates werden mittlerweile von der Boulevardpresse weitgehend ignoriert; die wattierten Schwänzchen und geknickten Ohren wirken im grellen Licht des Starkults im 21. Jahrhundert schlaff und veraltet. Als das Playboy-Imperium im Jahr 2009 zum Verkauf stand, waren die Käufer mehr am Logo interessiert als am Rest des bröckelnden, impotenten Unternehmens. »Diese Marke bietet mehr als nur Sex«, sagte Kelly O’Keefe, ein Markenexperte an der Virginia Commonwealth University, gegenüber Reuters. »Sie steht für Kultiviertheit, Lifestyle und Freiheit.«
    Kultiviertheit, Lifestyle und Freiheit sind von den tastenden, peinlichen und feuchten Entdeckungen, die junge Menschen bei ihren ersten sexuellen Erfahrungen naturgemäß machen, Lichtjahre entfernt. Die Körperlichkeit des Sex ist immer untrennbar mit Fantasien verbunden, die an der keuchenden Grenze zwischen Traum und Körperflüssigkeit spielen, aber der Playboy-Bunny symbolisiert die absolute Loslösung der Fantasie von körperlichen Tatsachen. Die Bunny-Marke ist ein lacanianisches Spiel mit Zeichen, das unbekümmert von jeder signifikanten Sexualität abprallt.
    Auch wenn die Allgegenwart des Playboy-Logos oder seine Popularität bei jungen Frauen kaum als positive Entwicklungen gesehen werden können, muss klar sein, dass das, was hier und anderswo beanstandet wird, nicht Sex ist, sondern Symbol: das schwarz-weiße, fleischlose, verschwommene Symbol einer dreisten, prothetischen Sexualität, welches in seiner Entfremdung von der Körperlichkeit und Intimität echter Sexualität massenweise produziert werden kann. Im Grunde verträgt sich die Bunny-Verehrung überhaupt nicht mit menschlicher Persönlichkeit, wie Hefner selbst erläutert: »Betrachten Sie den Typ Mädchen, den wir populär gemacht haben, das Playmate des Monats: Sie ist fröhlich, heiter, niemals kompliziert … wir interessieren uns nicht für geheimnisvolle, schwierige Frauen.«
    Der Bunny ist ein Symbol für erotisches Kapital, das von der gelebten körperlichen Erfahrung unterschieden werden muss. Als Zeichen überwältigt es die sexuellen Begegnungen, die es eigentlich bezeichnen soll. Eine im Jahr 2010 unter ledigen Amerikanern zwischen 18 und 29 Jahren durchgeführte Befragung hat gezeigt, dass viele von ihnen kaum etwas über die gebräuchlichsten Verhütungsmittel wie Kondome und die Pille wissen. Aber als wir den Bunny zum ersten Mal auf unseren Vesperdosen sahen, hatten wir eine ungenaue, aber unanständige Vorstellung davon, was er bedeuten sollte. Eines ist jedenfalls klar: Wenn das Logo eines fünfzigjährigen Hasen mit Fliege ein international anerkanntes Zeichen für das werden konnte, was Mami und Papi zusammen machen, darf man mit Sicherheit laut sagen, dass mit unserem Verständnis von Sexualität etwas kolossal falsch gelaufen ist.

Hungernde Herzen
    Worum es hier geht, ist der Abscheu vor dem Fleisch: die plastifizierte Abneigung des Kapitalismus gegen das Sinnliche und die Intimität der menschlichen Sexualität. Die moderne Zensur wird über die Natur der Konsumentenfrigidität getäuscht, denn ihre Komplizenschaft ist ein notwendiger Teil des Betrugs: Die strategische Entfremdung der sexuellen Konsumenten von ihrer erotischen Identität setzt auf die Zensur, um den Unterschied zwischen sexueller Intimität und erotischem Kapital zu verschleiern, da nur eines von beiden massenweise produziert werden kann. Eine so freudlose Vision von Erotik wirkt nur deshalb reizvoll und spannend, weil die Jungen auf der Suche nach Sex nichts anderes haben, an dem sie sich abarbeiten könnten.
    Antiquierte Paradigmen sexueller Moral kontrollierten die Sexualität junger Menschen mit einem ganzen Sortiment an dubiosen Instrumenten, von
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher