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Fleischmarkt

Fleischmarkt

Titel: Fleischmarkt
Autoren: Laurie Penny
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Parade von rumpflosen Schwänzen, die in irgendwelche Löcher eindringen, eine freudlose, industrialisierte Sexualität mit fließbandmäßig pumpenden Kolben, die ständig darum bemüht ist, neu gesteckte Grenzen des ›Hardcore‹ in Geld zu verwandeln, mehr Wichse zu melken, Analmuskeln weiter zu dehnen und Körperöffnungen zur doppelten, dreifachen, vierfachen Menge an gesichtslosem Genitalfleisch zu öffnen. Naomi Wolf schrieb 1991 in
Der Mythos der Schönheit
über pornografische Zeichen: »Die Funktion des Schönheitsmythos […] war es, die sexuellen Vorstellungen von Männern und Frauen mit Gewaltszenen zu okkupieren, eine auf elegante Weise vergewaltigte ›Eiserne Jungfrau‹ ins innerste Dunkel eines jeden zu platzieren und die Fruchtbarkeit der kindlichen Vorstellungskraft mit so entsetzlichen Visionen zu zerstören, dass auf diesem Boden nichts mehr wachsen konnte. Zur Zeit führt der Mythos erfolgreich seine Kampagne gegen unsere sexuelle Individualität, gegen die persönlichsten, anrührendsten Bilder…« 7

Entropie und Ironie
    Die Prozesse, die dafür verantwortlich sind, dass viele Motive der zeitgenössischen Pornografie in die Mainstreamkultur eingedrungen sind, werden von den Produzenten und Werbefachleuten gerne durch die dreiste Behauptung entschuldigt, dass diese brutale Verdinglichung der jungen Körper letztlich irgendwie ›ironisch‹ zu verstehen sei. Diese Entschuldigung ist schwach, die Ironie hingegen echt. Die Nachahmung von Sexualität durch ehrgeizige Jugendliche ist durch und durch ironisch: Wie können wir uns selbst reflektieren und die düster-komische Entfremdung der erotischen Arbeit übersehen?
    Ironie ist tatsächlich eines der wenigen authentischen Motive der westlichen Erotikkultur im frühen 21. Jahrhundert. Eine Art von Kitsch, eine witzelnde Unanständigkeit, die unbarmherzig gleichermaßen an Kinder und Erwachsene verkauft wird, was sowohl der Handel mit Lolita-Bettwäsche und -Schultaschen als auch das Revival der Burlesque im Varieté zeigen. Diese hat sich von ihren Wurzeln im Protesttheater der Arbeiterklasse entfernt und zu einem geschmackvollen, bourgeoisen Vergnügen der sexuellen Verdinglichung entwickelt, das mit Federfächern und teurer Miederware spielt.
    Während Popstars und Moderatoren viel Wirbel um Brustwarzenpiercings machen, improvisiert Dita von Teese, ihres Zeichens Geschäftsfrau und Superstar des Varietés, über das, was sie ›die Kunst der Anmache‹ nennt: »Ich verkaufe, kurz gesagt, Magie. Varieté ist eine Welt der Illusionen und Träume und natürlich auch des Striptease … Wenn ich im Varieté auftrete, verführe ich mein Publikum, lasse seine Vorstellungen immer enger um das Thema Sex kreisen, um dieses dann, und das ist für eine gelungene Verführung wichtig, wieder einzukassieren.«
    Die ›Anmache‹ ist ein Schrei aus dem Herzen des kapitalistischen Sexmanifests. Was verkauft wird, ist einzig die Illusion: Ein schwülstiges, frigides ›Guckuck-Spiel‹, das den Konsumenten geblendet und unbefriedigt zurücklässt.
    Apologeten der Burlesque als Kunstform schwärmen gerne davon, dass die ›Anmache‹ auch eine Praxis der Selbstbemächtigung sei. Jedoch ist das Underground-Potenzial der Burlesque spätestens in dem Moment flöten gegangen, in dem ganz normale Sportstudios anfingen, Varieté-Tanz als Fitnessprogramm anzubieten. Polestars, einer der größten Anbieter solcher Kurse in Großbritannien, wirbt damit, »der heutigen Frau die Möglichkeit zu geben, die alte Kunst der Verführung zu erlernen und gleichzeitig den Körper zu straffen … Den inneren Vamp rauslassen – im sexy Style der Stripperin!«
    Manchmal mag dieser innere Vamp aber nicht rauskommen und nett spielen. Als Teenager hielt ich nur ein halbes Jahr als Tänzerin durch, dann tat mir vom andauernden verführerischen Lächeln das Gesicht weh.

Bunny und die Marken
    Die plötzliche Allgegenwart des Playboy-Bunny macht die süßliche Entfremdung der vermarktbaren erotischen Zeichen von der schwitzigen Wirklichkeit des Sex deutlich. Anfang des 21. Jahrhunderts machte der Playboy-Hase einen unaufhaltsamen Sprung in den Mainstream und erschien auf Federmäppchen, Haarspangen und anderen Kindersachen. Feministische Aktivistinnen waren die ersten, die mit löblichen Projekten wie »Bin the Bunny« (»Wirf den Hasen in die Tonne«) darauf reagierten und versuchten, Mädchen über den schädlichen Einfluss der Pornoindustrie aufzuklären. Auch die Kommission für
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