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Fleischmarkt

Fleischmarkt

Titel: Fleischmarkt
Autoren: Laurie Penny
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Status der Sexarbeit in Großbritannien und USA zu einem unergiebigen und wackeligen Jenga-Turm aus verworrenen Gesetzen und moralischen Zweideutigkeiten gemacht. Frauen, die als Prostituierte arbeiten, bewegen sich in einem sozio-ökonomischen Niemandsland: Ihre Arbeit ist einerseits legal genug, um ein schäbiges, aber akzeptables Ventil für die verklemmten bürgerlichen Sexualnormen und eine ökonomische Option für Frauen in verzweifelten finanziellen Umständen zu bieten, andererseits doch so illegal, dass der Markt für kommerziellen Sex verboten und verborgen bleibt (was Sexarbeiterinnen um öffentliche Würde und den vollen Schutz des juristischen Systems bringt) und der prüde Druck der Öffentlichkeit befriedigt wird, jene zu bestrafen, die Sex verkaufen.
    Die neuerdings wiedererstarkende Frauenbewegung konnte besonders in England erleben, dass Themen wie das Recht auf Abtreibung und Lohnungleichheit zugunsten monolithischer Demagogie über das Thema Sexarbeit ausgehebelt wurden. Die Auseinandersetzung führte zu einer moralischen Polarisierung zwischen der Auffassung, Sexarbeit sei eine völlig frei gewählte Tätigkeit, und der von den meisten Feministinnen vertretenen Meinung, sie sei totale Ausbeutung. »Die Gleichberechtigung der Frau ist in einer Gesellschaft, in der es für Männer normal ist, unsere Körper zu kaufen, eine Farce«, sagt Finn MacKay von der
Feminist Coalition Against Prostitution
. »Wir können nicht frei sein, solange so viele von uns buchstäblich zum Verkauf stehen. Solange ich davon ausgehe, dass Prostitution Gewalt gegen Frauen ist, wie kann ich dann mit jemandem zusammenarbeiten, der oder die sie als eine Arbeit wie jede andere darstellt?«
    Die schwerfällige Ansicht, Prostitution sei an sich schon Gewalt gegen Frauen – auch dann, wenn beide Parteien männlich sind –, verhindert weiterführende Analysen. Nur wenn man anerkennt, dass Sex theoretisch auch ohne Ausbeutung verkauft werden könnte, kann man fragen, warum genau das so selten passiert, auch in den reichsten Gesellschaften dieser Erde.
    Prostitution ist nach wie vor eine der gefährlichsten, am stärksten stigmatisierten und am schlechtesten bezahlten Tätigkeiten überhaupt. Von Zuhältern, Freiern und Kunden wird den Sexarbeiterinnen ebenso Gewalt angetan wie vom Staat in Form von Polizeikontrollen. Die Marginalisierung der arbeitenden Körper im Sexgewerbe ist eine extreme Form der Marginalisierung der arbeitenden Körper aller Frauen. Aus diesem Grund sollte die Ausweitung der Arbeiterrechte auf alle, die Sex verkaufen, eine dringende Forderung feministischer Aktivistinnen sein.
    Eine erste Forderung muss natürlich besserer rechtlicher Schutz für all jene sein, die Sex verkaufen. Über diesen Punkt sind sich selbst die ideologisch unterschiedlichsten Gruppierungen einig. In einem Artikel, der 2010 im
Guardian
erschien, kamen Thierry Schaffauser, ein Sexarbeiter und Gewerkschaftsaktivist, und Cath Elliott, eine Feministin aus dem abolitionistischen Spektrum, überein, dass »diejenigen, die unsere Hilfe am dringendsten brauchen, weiterhin Gewalt erleiden müssen, während wir hier eifrig über alle möglichen Dinge diskutieren. Wir glauben, dass die Kriminalisierung von Sexarbeitern und Prostituierten dazu beiträgt, diejenigen zu rechtfertigen, die sie angreifen. Die Kriminalisierung der Prostitution ist ein sexistisches Gesetz.« 8
    In den letzten Jahren wurde mit einer Reihe von Büchern und Fernsehsendungen wie beispielsweise Tracy Quans
Diary of a Manhattan Call Girl
großer Aufwand betrieben, um das Schattendasein der Prostitution zu beenden, während zeitgleich ganz andere Entwicklungen ihren Lauf nahmen. Die von der Popkultur zelebrierte Prostitution ist bourgeoiser Natur – ›Edel‹-Prostitution nennen die Boulevardzeitungen das gerne –, wodurch die konkreten Erfahrungen und Bedürfnisse der meisten Sexarbeiterinnen, die ja gar nicht bürgerlich sind, ausgeblendet werden.
    Vor einiger Zeit musste Dr. Brooke Magnanti aus Bristol sich als
Belle de Jour
outen. Die ehemalige Doktorandin und Prostituierte verbarg sich hinter dem gleichnamigen Blog, aus dem ein Buch gemacht wurde und der schließlich für die lukrative, trashige und völlig anspruchslose ITV-Adaptation
Secret Diary of a Call Girl
9 ausgeschlachtet wurde, in der Billie Piper diverse pobackenfreie Latexklamotten trägt und mächtig herumstöhnt. Die Show, die jetzt in der vierten Staffel läuft, wurde zum wichtigsten Vehikel für
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