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Flammen über Arcadion

Flammen über Arcadion

Titel: Flammen über Arcadion
Autoren: B Perplies
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gemeinsam Hausaufgaben zu machen. Manchmal gesellte sich Carya auch dazu. Die Lehrer duldeten das.
    Heute allerdings wollte sie nur noch nach Hause und vergessen, dass sie sich durch ihre Tagträumerei vor der ganzen Klasse blamiert hatte. Durch das Westtor eilte sie hinaus auf die belebte Quirinalsstraße. Sie umrundete die riesige Templeranlage auf dem Quirinalsberg und lief anschließend durch die Innenstadt bis zu der kleinen Gasse im nördlichen Teil von Arcadion, wo das Mehrfamilienhaus lag, in dem sie mit ihren Eltern lebte.
    Auf den Straßen und Plätzen drängte sich das Volk. Arbeiter waren auf dem Weg in die Fabriken oder eilten nach Hause, um ihre Mittagspause mit der Familie zu verbringen. Kaufleute schichteten die Waren in den Auslagen vor ihren Geschäften um. Straßenkinder, von denen es ungeachtet aller gegenläufigen Bemühungen des Stadtrats immer noch viel zu viele gab, flitzten zwischen den Passanten umher, boten ihre Dienste an oder griffen in fremder Leute Taschen. Und mit schöner Regelmäßigkeit waren die Wappen des Lux Dei zu sehen – die halbe, dreistrahlige Sonne auf weißem Grund – , die von ernsten Männern in strengen dunkelblauen Uniformen durch die Straßen getragen wurden.
    Arcadion war, wie Carya aus dem Geschichtsunterricht wusste, bereits vor dem Sternenfall eine dicht bevölkerte Stadt gewesen. Damals hatte sie noch einen anderen Namen besessen, der ihr aber im Augenblick entfallen war. Geschichte interessierte Carya nicht besonders.
    Als die Menschen sich dann in den Dunklen Jahren nach der Katastrophe in die Mauern der Stadt zurückzogen, die zukünftig Arca di dio , die Arche Gottes, und später Arcadion heißen sollte, wurde es noch voller. Natürlich hatten Krieg, Hunger und Krankheiten im Laufe der Jahre ihre Opfer gefordert. Doch das Licht Gottes, als deren Diener auf Erden sich die Vertreter des Lux Dei sahen, lehrte, das Leben zu achten und zu mehren – zumindest das seiner Anhänger – , weswegen die Bevölkerungszahl Arcadions heute an seine Grenzen zu stoßen drohte.
    Dessen ungeachtet lebten die Bürger lieber in beengten Verhältnissen als draußen in der Wildnis, wo sich nur Glücksritter, Räuberbanden und Mutanten herumtrieben und wo man krank werden konnte, wenn man nicht genau aufpasste, wo man sich wie lange aufhielt.
    Carya überquerte einen keilförmigen Platz am Fuß des Pinciohügels und bog dann in eine Seitenstraße ein, die zu der Gasse hinaufführte, in der ihr Elternhaus lag. Sie lief die Gasse entlang, die zur Linken von rotbraunen, viergeschossigen Wohngebäuden gesäumt wurde und zur Rechten von einer uralten Steinmauer, über deren Mauerkrone sich das blätterreiche Astwerk von Sträuchern ergoss wie ein grüner Wasserfall.
    Jenseits davon erhoben sich die Villen der wohlhabenden Einwohner von Arcadion, große Prachtbauten in Weiß und Ocker, deren Dächer mit glänzenden rotbraunen Ziegeln gedeckt und die von verschwenderisch großen Gärten umgeben waren. Carya verstand nicht, wieso der Lux Dei diesen Männern und Frauendermaßen viel Platz zugestand, obwohl es in Arcadion so wenig davon gab. Vor Gott, hieß es schließlich immer, seien alle Menschen gleich. Aber offenbar galt das nicht in allen Belangen.
    Direkt hinter den Villen ragte der Aureuswall auf, die mächtige Stadtmauer von Arcadion. Früher einmal hatte sie keine andere Funktion gehabt, als Besuchern aus anderen Ländern ein Zeugnis noch früherer Zeiten zu sein. In den Dunklen Jahren nach dem Sternenfall, als der Lux Dei die Schutz suchenden Menschen in die Arche Gottes geholt hatte, war die Mauer kräftig verstärkt worden. Mit einer Höhe von knapp fünfzehn Metern und einer Dicke von ungefähr einem halben Dutzend galt der die ganze Stadt einschließende Wall als festes Bollwerk gegen alle Gefahren, die Arcadion von außen drohen mochten.
    Caryas Meinung nach besaß er heute eher symbolischen Charakter. Soweit sie sich zurückerinnern konnte, hatte kein Feind mehr versucht, Arcadion zu stürmen. Alle Kämpfe, die der Lux Dei ausfocht, wurden Hunderte von Kilometern entfernt an den Grenzen des Landes geführt.
    Nichtsdestoweniger gab der Aureuswall auch ihr ein Gefühl von Geborgenheit – ganz anders als die riesigen alten Luftabwehrkanonen, die noch immer oben auf der Kuppe des Pinciohügels standen und sie daran erinnerten, dass die Zeit, in der Angst der ständige Begleiter der Menschen gewesen war, noch gar nicht so lange zurücklag.
    »Carya! He, hallo,
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