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Flammen über Arcadion

Flammen über Arcadion

Titel: Flammen über Arcadion
Autoren: B Perplies
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Gesellschaft. Wie sagte es Carya so schön in ihrem Referat: Der Sternenfall traf uns, weil die ganze Menschheit fehlerbehaftet war . Das galt für die Invitros noch mehr als für uns Kinder Gottes. Und es gilt noch heute. Solange die Invitros unter uns sind, steckt ein Dorn der Sünde in unserem Körper und verhindert dessen vollständige Reinigung und Genesung. Sie sind ein Erbe der alten Zeit, der Zeit, die wir hinter uns gelassen haben.«
    Signora Bacchettona redete noch eine Weile weiter, aber Carya spürte, dass ihre Aufmerksamkeit nachließ. Sie kannte die ganzen Parolen ebenso gut wie jeder ihrer Mitschüler. Im Grunde war sie ja auch kein Freund der Künstlichen. Die Vorstellung, dass diese Wesen statt im Mutterleib in riesigen Tanks voller Nährflüssigkeit und unter Zugabe von Reifebeschleunigern gewachsen waren, fand sie ziemlich unheimlich und auch irgendwie eklig. Wie konnte so ein Geschöpf, das nicht aus der Verbindung von Mann und Frau entstanden war, überhaupt eine Seele haben?
    Nichtsdestoweniger fand sie die Aufregung mancher Leute hinsichtlich der Invitrofrage übertrieben. Ein Großteil der Invitrobevölkerung war durch den Sternenfall und in den Dunklen Jahren danach zu Tode gekommen. Die wenigen Künstlichen, die noch lebten, hielten sich bedeckt und hatten sich unauffällig in die Gesellschaft der Überlebenden eingefügt. Da es so gut wie keine Unterlagen mehr aus der alten Zeit gab, die eine gezielte Suche möglich gemacht hätten, waren sie praktisch von der Bildfläche verschwunden.
    Gewisse Leute glaubten, dass man die Künstlichen an ihrer Kopfform erkennen konnte, die sich angeblich von der natürlich geborener Menschen unterschied, die als Babys den Geburtskanal im Mutterleib hatten passieren müssen. Andere behaupteten, sie würden anders riechen als normale Menschen. Tatsächlich gab es – soweit Carya das wusste – nur eine verlässliche Methode, einen Invitro zu erkennen: Sie besaßen keinen Bauchnabel, da sie während ihrer Entwicklung nicht über eine Nabelschnur mit der Mutter verbunden gewesen waren, sondern ihre Versorgung mit Nährstoffen von Maschinen geregelt worden war.
    Die Künstlichen, die in Arcadion lebten, wussten diesen Umstand natürlich gut zu verbergen. Und man konnte schließlich nicht jeden Einwohner entblößen, um nachzuschauen, ob er oder sie einen Bauchnabel besaß, zumal es sogar Gerüchte gab, dass skrupellose Ärzte den Invitros gegen Bezahlung einen künstlichen Bauchnabel schnitten. Unterm Strich wäre der Versuch ihrer Auslöschung also mit enormen Mühen verbunden gewesen – dabei taten sie wirklich nichts, außer ein paar frommen Eiferern wie Signora Bacchettona auf der Seele zu liegen.
    Ohne das Gesicht von der Lehrerin abzuwenden, schielte Carya nach links zu den hohen Fenstern hinüber. Hinter den hölzernen Lamellen der Schutzläden war das helle Sonnenlicht des späten Vormittags zu erkennen. Carya wünschte sich, die Schulstunde wäre bald vorüber. Sie hatte Hunger, und außerdem würde sie am Nachmittag Ramin wiedersehen.
    Ramin … Der Gedanke an den gut aussehenden Jungtempler erzeugte eine Wärme in ihrem Inneren, die ihr bis vor wenigen Monaten noch fremd gewesen war. Selbstverständlich hatte Carya, wie jedes junge Mädchen in Arcadion, die Männer in den Kohorten der Templer angeschmachtet, wann immer sie vor dem Dom des Lichts Paraden abhielten oder über den Corso aus der Stadt auszogen, um die Grenzen des Landes zu verteidigen. Und natürlich hatte sie hinter einem losen Ziegelstein in der Mauer ihres Zimmers ein kleines Bild von Julion Alecander aufbewahrt, einem der zehn Paladine des Lux Dei, dem Helden ihrer frühen Teenagerjahre.
    Doch das war nicht vergleichbar mit dem Gefühl, das sie nun ergriff, wann immer sie an Ramin dachte. Diese Männer – Julion Alecander im Besonderen – waren ihr stets fern gewesen. Ramin dagegen führte ihre Gruppe in der Templerjugend an. Es war ein Ehrendienst, den er neben seiner Ausbildung zum Templer angenommen hatte. Da die Zeit in der Templerakademie des Lux Dei als ausgesprochen anstrengend galt, fand Carya so viel Einsatz bewundernswert. Darüber hinaus gab es noch einige andere Dinge, die ihren Pulsschlag beschleunigten, etwa seine starken Schultern und sein schneidiges Auftreten.
    Wenn sie die Augen schloss und sich ein wenig anstrengte, gelang es ihr manchmal, sein Bild in ihrem Geist heraufzubeschwören und sich vorzustellen, wie er sie anlächelte, weil er erkannt hatte, dass sie
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