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Fischland-Rache

Fischland-Rache

Titel: Fischland-Rache
Autoren: Corinna Kastner
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Ärzte es erlaubt hatten und ein weiteres Mal kurz vor seiner Entlassung –, hatte er nicht übersehen können, dass sie inzwischen weit mehr als nur Freunde waren. Gewesen waren, korrigierte er sich. Denn jetzt war Paul Freese tot.
    Dietrich pappte das Blaulicht aufs Wagendach, drückte das Gaspedal bis zum Anschlag durch und raste in wahnwitziger Geschwindigkeit in Richtung Fischland.

1
    Zwei Tage zuvor
    Kassandra zog die Haustür zu und warf einen kritischen Blick in den dunklen, wolkenverhangenen Himmel. Ein Windstoß wehte ihr dabei die braunen schulterlangen Haare ins Gesicht. Kurz betrachtete sie im Lichtschein eines vorbeifahrenden Autos zweifelnd die grün-weiße Tür des alten Kapitänshauses, in dem sie im Frühjahr ihre Pension »Woll tau seihn« eröffnet hatte. Sie war sich ziemlich sicher, dass es früher oder später zu regnen beginnen würde, aber wenn sie jetzt wieder reinging und ihren Schirm suchte, würde sie sich noch mehr verspäten. Entschlossen klappte sie ihren Mantelkragen hoch und lief von der Lindenstraße, in der sich Kapitänshäuser wie ihres in den schönsten Variationen wie Perlen an einer Schnur aufreihten, in den Birkenweg, der direkt auf den Platz mit der Alten Eiche mündete. Im Sommer war das ein lauschiges Plätzchen. Um die Eiche stand eine Rundbank, und man konnte von hier aus die alte Feuerwehr mit dem roten Backsteinturm betrachten, in der Hand ein Kuchenstück vom Bäcker an der Ecke. Das einzig Lauschige an diesem Abend war der große erleuchtete Wintergarten des Hauses gegenüber der Eiche, und genau das war ihr Ziel.
    Vor einigen Monaten war Inga Lange aufs Fischland gekommen, hatte dieses Haus in Rekordzeit gekauft und umgebaut und daraus die neueste Attraktion Wustrows gemacht, das Restaurant »FischLänder«.
    Es wäre übertrieben gewesen zu sagen, dass Ingas häufige Anwesenheit und die Eröffnung des Restaurants Wustrow spalteten. Aber es gab fraglos sowohl energische Befürworter als auch erbitterte Gegner der Tatsache, dass sich auf das beschauliche Fischland eine Star-Köchin verirrt hatte, die jeder, der wenigstens ab und zu mal den Fernseher einschaltete, sofort erkannte. Was natürlich entsprechenden Rummel mit sich brachte, den nicht alle begrüßten.
    Auf der gegenüberliegenden Straßenseite sah Kassandra eine reglose Gestalt zum Restaurant hinüberstarren. Das wäre an jedem anderen Tag nicht weiter ungewöhnlich gewesen, denn es standen häufig Leute hier und warteten darauf, einen Blick auf Inga werfen zu können, wenn im Restaurant kein Platz mehr zu ergattern war. Allerdings harrten die selten bei so ungemütlichem Wetter aus, mittlerweile hatte es nämlich etwas zu stieben begonnen. Kassandra schüttelte den Kopf. Manche übertrieben es eindeutig mit der Star-Verehrung.
    Der Weg zur dunkelgrünen Eingangstür des »FischLänder« führte durch einen Vorgarten, der von einer Vielzahl kleiner Lampen beleuchtet wurde, winzige Regentröpfchen tanzten in den Lichtkegeln. Als Kassandra die Tür aufstieß, ließ sie ihren Blick durch den in hellen Farben und geraden Linien eingerichteten Raum schweifen. Der Gegensatz zwischen diesem durchgestylten, aber nicht ungemütlichen Inneren und dem Äußeren des in kräftigem Rot gestrichenen rohrgedeckten Fachwerkhauses faszinierte sie immer wieder aufs Neue. Schließlich entdeckte sie Jonas, Violetta, Mona und Paul an einem der runden Holztische.
    Paul musste gespürt haben, dass sie gekommen war. Er sah hoch, direkt in ihre Augen. Unwillkürlich schluckte Kassandra. Sie waren seit vier Monaten zusammen, und sie bekam immer noch weiche Knie, wenn er sie mit diesem warmen Lächeln ansah. Dass sie mit ihren vierunddreißig Jahren zwanzig Jahre jünger war als er, hatte anfangs einige irritiert, nicht zuletzt Paul selbst, aber schon nach kurzer Zeit hatte es keine Rolle mehr gespielt.
    Paul stand auf, um mit einem Kuss ihre Wange zu streifen, nahm ihr den Mantel ab und legte ihn über einen freien Stuhl. An solche Höflichkeiten hatte sie sich gewöhnen müssen, aber es gefiel ihr.
    Â»Entschuldigt, dass ich zu spät bin«, sagte sie und klopfte auf den Tisch, um alle zu begrüßen.
    Â»Kein Problem. Sind deine Gäste gut angekommen?«
    Kassandra nickte. »Der übliche Stau bei Hamburg hat sie über eine Stunde aufgehalten. Dabei wäre
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