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Fischerkönig

Fischerkönig

Titel: Fischerkönig
Autoren: Wildis Streng
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von ihm gewohnt war und die er normalerweise zu vermeiden suchte. »Wieso fragst du das?«
    »Ich will wissen, ob du glücklich bist. Mit mir, meine ich, hier, in Crailsheim.« Heiko setzte sich ebenfalls auf und legte den Arm um sie, und sie konnte seinen warmen Atem auf ihrer Haut spüren. »Natürlich bin ich glücklich«, beschied sie. »Ich war noch nie so glücklich.«
    Heiko schluckte. »Dann würde ich dich gern etwas fragen.« Lisas Herz machte einen Hüpfer, als Heiko sie so ernst, wie es ihm nur möglich war, ansah und sie fragte: »Lisa, würdest du mit mir zusammenziehen?« Lisa stutzte kurz, das war natürlich nicht die Frage, die sie erwartet hatte. Trotzdem, es war ein Anfang, und Lisa kannte die Antwort bereits, ohne dass sie groß darüber hätte nachdenken müssen. Sie küsste ihren Heiko zart auf den Mund, bevor sie in der letzten sommerlichen Hitze Hohenlohes mit einem Ja bestätigte.

Samstag, 05. Oktober 2014
    Der Festakt war nun auf den Familienabend verlegt worden. Und der Familienabend fand, anders als früher, wo er noch in der Roßfelder Turnhalle abgehalten wurde, im Hangar statt. Der Hangar war, in Ermangelung einer wirklich repräsentativen Stadthalle, seit Neuestem eine Art Universalveranstaltungsort. Und so fand eben der Familienabend des ASV Crailsheim im Hangar statt. Eigentlich nannte kein Mensch die Veranstaltung ›Familienabend‹, viel eher war sie gemeinhin als ›Fischessen‹ bekannt, denn darum ging es hauptsächlich. Außerdem gab es eine Tombola, bei der man von der Salami bis zur Mikrowelle alles gewinnen konnte und die gerade deshalb ungemein spannend war. Lisa und Familie Wüst hatten bereits sieben Nummern auf bunten Papierchen auf ihrem Tisch liegen, nachher würde sich herausstellen, was sie gewonnen hatten. Die Forellen waren längst serviert worden, Otto Waller hatte zuvor erklärt, in welchem Lebensraum die Regenbogenforellen lebten und dass sie an der Seite irisierend glänzen würden. Die anwesenden Fischesser hatten allerdings von diesem Glanz nichts mehr sehen können, denn die Fische waren appetitlich gebraten gewesen und somit knusprig-braun. Familie Wüst saß neben einem Freund der Familie, der einen Witz nach dem anderen erzählte und erstmalig heute Abend pausierte, weil nämlich jetzt der neue Fischerkönig gekrönt werden würde. Die Unterhaltungsmusik verstummte, und Otto Waller trat ans Mikrofon. Sein hellgrauer Schnurrbart bebte, als er seine Rede begann. Er bedauerte den tragischen Todesfall im Verein und forderte die Anwesenden zu einer Schweigeminute auf. Anschließend betonte Waller, wie überaus froh er sei, dass der Mörder gefasst sei, und dass man das der kompetenten Crailsheimer Polizei zu verdanken habe. Nun folgte Applaus, und Werner Wüst klopfte seinem Sohn anerkennend auf die Schulter. Heiko konnte nicht umhin, selber ein bisschen stolz zu sein, auf sich und Lisa. »Und jetzt, meine Damen und Herren, kommen wir zu dem Moment, auf den wir alle gewartet haben. Heinz, komm mal bitte auf die Bühne!« Die Anwesenden folgten mit ihren Blicken Heinz Hintermann, der nun mit stolzgeschwellter Brust in Richtung Bühne schritt. Inzwischen erschien auf der Leinwand hinter Waller, die von einem größeren Beamer angestrahlt wurde, ein Foto von Hintermann in dunkelgrüner Kluft mit einem Fisch, der so groß war, dass er eigentlich nur einem Anglerlatein entstammen konnte. Dass der Fisch real existierte, bewies nur das Foto. »Unser Mitglied Heinz Hintermann hat beim diesjährigen Königsfischen einen Spiegelkarpfen mit einem Gewicht von 13 Pfund gefangen. Damit ist er der Sieger und somit unser neuer Fischerkönig.« Applaus brandete auf, als Otto Waller dem neuen König die klimpernde Kette umhängte. »Wie ihr alle seht, haben wir jetzt eine neue Kette angefangen. Und der Name vom Heinz ist jetzt der erste darauf.« Der frischgekrönte Fischerkönig hob die Kette an und strich fast zärtlich über das metallene Plättchen, auf dem sein Name stand. Und Lisa hatte so eine Ahnung, dass Heinz Hintermann die Kette von jetzt an öfters tragen würde.

    Irina war hin- und hergerissen zwischen Glücklichsein und Verzweiflung. Denn im Dorf hatte sie sich inzwischen gut integriert, die anderen Frauen mochten sie, und sie waren sogar beinah schon Freundinnen. Die kleine Viktoria redete überhaupt nicht mehr von ihrem Papa. Nach wem sie hingegen andauernd fragte, war ihr Djadja. Ihr Onkel Alex. Irina seufzte. Sie vermisste ihren Bruder. Er war im
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