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Fischerkönig

Fischerkönig

Titel: Fischerkönig
Autoren: Wildis Streng
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ist?«
    »Er ist gestern Abend nicht nach Hause gekommen. Und er ist auch nicht an sein Handy gegangen.« Heiko registrierte sehr große und sehr grüne Augen, die ihn durchdringend und sehr ernst musterten. »Und haben Sie sich da nicht gewundert?« Die Frau, die ohne Probleme Model hätte werden können, wirkte nun etwas verlegen. »Wissen Sie, das war nicht das erste Mal. Er geht ab und zu in die Mauerklause. Und da ist er öfter schon mal so spät nach Hause gekommen. Oder gar nicht.« Heiko nickte wissend, während Lisa beschloss, ihren Freund später zu fragen, was denn die Mauerklause war, auch wenn sie es sich bereits denken konnte.
    »Und ist das sein Kind?« Lisa wies auf die kleine blonde Gestalt.
    Irina Siegler nickte. »Das ist Viktoria.«
    »Ein hübsches Mädchen.«
    »Ja, nicht?« Ein Lächeln, das gleich wieder erstarb, huschte über die vollen Lippen.
    »Sie wissen also gar nicht, wo Ihr Mann sich gestern Nacht aufgehalten hat?«
    »Nein.«
    »Woher kommen Sie denn ursprünglich, wenn ich fragen darf?«, fragte Lisa nun vorsichtig. »Aus Russland«, gab die Frau Auskunft. »Wir haben uns im Internet kennengelernt.« Lisa beschloss, dieses Thema momentan nicht weiter zu vertiefen. »Hatte Ihr Mann denn Feinde?«, fragte sie weiter. Irina dachte angestrengt nach, aber selbst dann zeichnete sich kaum eine Linie auf ihrer schönen, glatten Stirn ab. »Nicht, dass ich wüsste. Diese Fischerkönigsache war immer recht anstrengend. Aber dass da jemand einen Mord begehen würde …, nein, das glaube ich nicht!« Heiko brummte. »Sonst noch was?«, bohrte er weiter. Irina zuckte nach einer Weile die schmalen Achseln. »Haben Sie jemanden, der sich um Sie kümmern kann?«, fragte Lisa. Die Frau nickte und bestätigte mit einem tonlosen »Ja«.

    Das Sommernachtsfest war schnell beendet gewesen. Otto Waller war zum Mikrofon getreten und hatte mit knappen Worten verkündet, was geschehen war. Seine Stimme hatte gebebt und er hatte sich verstohlen eine Träne aus dem Augenwinkel gewischt. Dann hatte er an das Verständnis der Leute appelliert, dass man unter diesen Umständen nicht hier sitzen könnte und feiern und den neuen König krönen, und alle nach Hause geschickt. Mit betretenen Blicken hatten die Leute ihre Gläser geleert und waren still heim gegangen.

    Heiko und Lisa hatten im Fischerheim ein provisorisches Verhörzimmer eingerichtet, um die ersten Befragungen vorzunehmen. Lisa hatte den neuen Fischerkönig und Waller gebeten, noch dazubleiben und einige Fragen zu beantworten. Das Fischerheim war ein Ort, dessen Staffage überaus grotesk wirkte. Ganz im Stil einer Jagdhütte waren auch hier Trophäenköpfe an der holzgetäfelten Wand angebracht. Nur, dass es sich dabei nicht um Hirsche und Wildschweine handelte, wie man das so kannte. Nein, an der Wand, auf kleinen, schmucken Holzbrettchen montiert, hingen Fischköpfe. Große, kleine, manche mit Zähnen, aber alle mit starrem Blick. Ihre harte Oberfläche glänzte speckig, und sie alle waren dem Betrachter direkt zugewandt. Fische in Angriffsposition sozusagen. Das beeindruckendste Exemplar war zweifellos ein zwei Meter langer Fisch mit riesigem säbelartigem Maul, als einer von wenigen seitlich aufpräpariert.
    »Wie kommt ihr denn an den? Ich dachte immer, Schwertfische seien Salzwasserfische«, begann Lisa, als sie Otto Waller, den Vorsitzenden des ASV, befragten.
    »Das ist kein Schwertfisch«, dozierte Waller, »das ist ein Segelfisch. Aus der Gattung der Fächerfische. Und ja, das ist ein Salzwasserfisch.«
    »Und wie kommt er dann in Hohenloher Gefilde?«, wollte die Kommissarin wissen.
    »Eines unserer Mitglieder, der Mann ist bereits verstorben, hat den Fisch 1978 gefangen. In Acapulco. Mexiko.«
    »Unglaublich«, meinte Lisa. »Und dann?«
    »Der Mann hat den Fisch präparieren lassen, vor Ort. In Mexiko. Alles andere wäre ja auch der reinste Frevel gewesen.« Lisa murmelte zustimmend. »1981 kam der Fisch dann nach Hohenlohe und hängt seither hier im Fischerheim in Asbach.«
    »Ein wahrhaft kapitales Exemplar«, lobte die Westfälin.
    Heiko, der die Geschichte bereits gekannt hatte, war der Meinung, dass sie nun genug Small Talk praktiziert hatten und dass es nun an der Zeit war, sich endlich dem brandheißen Mordfall zu widmen. »So, Herr Waller«, begann er. »Können Sie sich denken, was das Mordopfer gestern Abend hier wollte?« Waller schürzte die Lippen. Seine gesamte Mimik verriet Nervosität. Seine Hände lagen ineinander
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