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Final Cut - Etzold, V: Final Cut

Final Cut - Etzold, V: Final Cut

Titel: Final Cut - Etzold, V: Final Cut
Autoren: Veit Etzold
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und bespucken. Es erregte ihn sogar, wenn andere auf ihn urinierten. Die anderen, das waren die »Dominanten«, die »Doms« oder »Tops«.
    Doch irgendwann reichte ihm selbst das nicht mehr. Nachdem er die verschiedensten sadomasochistischen Phantasien ausgelebt hatte, wollte er bis an die Grenzen gehen: Er wollte sich fesseln und mit einem Skalpell schneiden lassen. Jakob wusste selbst nicht, ob diese Phantasie schon immer in ihm gelauert hatte wie ein verborgener, tückischer Dämon, oder ob die ständige Beschäftigung mit der virtuellen Hölle der SM-Seiten diese Begierde in ihm geweckt hatte.
    Schließlich gab er bei giftgiver.de folgende Anzeige auf:
    Geiler Boy, 31, 182, 78. Rasiert, schlank. Schwanz 17/5. Möchte von attraktivem Dom gequält werden, vielleicht mit Messern? Mache alles mit, nur keine Verstümmelung etc. Melde dich.
    Noch am selben Tag erhielt er die Antwort:
    Dom, 39, 191, 90. Fessle dich mit Handschellen ans Bett, dann besorg ich es dir mit Skalpellen. Du kannst sie auf einer Website bestellen (Anhang). Gefällt dir mein Foto?
    Der Fremde sandte Jakob ein Foto, das nur seinen trainierten Körper zeigte; sein Gesicht war hinter einer schwarzen Maske verborgen. Aber der athletische Körper gefiel Jakob. Außerdem schickte er Jakob ein Formular, das ihn als Arzt und Geschäftskunden auswies, sodass er die Skalpelle auf einer Website für Chirurgiebedarf bestellen konnte. Jakob entschied sich für Einwegskalpelle mit grünem Plastikgriff.
    Eine erregende Mischung aus Furcht und Lust erfüllte ihn, als er auf der Website auf den »Bestellen«-Knopf drückte, nachdem er seine Kreditkartennummer eingegeben hatte. Was, wenn der Fremde die Grenzen nicht einhielt? Wenn er, Jakob, ihm hilflos ausgeliefert wäre? Seltsamerweise erregte ihn dieser Gedanke umso mehr.
    Als nach vier Tagen die Skalpelle kamen, schrieb Jakob wieder eine Mail:
    Skalpelle sind da. Wann kommst du?
    Umgehend erschien die Antwort:
    Bin in einer halben Stunde bei dir. Lass die Wohnungstür auf, damit ich reinkann. Fessle dich mit einer Handschelle ans Bett. Alles andere erledige ich. Mach ein Foto von dir und schick es mir auf meine Nummer, damit ich sehe, dass du alles richtig gemacht hast.
    Jakob knipste das Foto und schickte es an die Mailadresse, die er erhalten hatte.
    Nach wenigen Minuten hatte er alles vorbereitet und sich mit einer Hand ans Bett gefesselt. Die Wohnungstür ließ er offen. Die Skalpelle lagen bereit.
    Dann begann das Warten.
    Endlich hörte er Schritte auf dem Flur.
    Eine Mischung aus Lust, Erregung und Angst erfasste ihn.

3.
    Albert Torino stellte seinen Blackberry auf Empfang, stopfte seine Papiere und den Laptop in seine schlangenlederne Aktentasche und ging mit wackligen Beinen über den Gang der Boeing 747, die soeben aus São Paulo in München gelandet war. Er zog seinen Rollkoffer aus der Gepäckablage über sich und ließ sich von der Flugbegleitung sein dunkelblaues Nadelstreifensakko geben, während er sich gleichzeitig ein Aspirin einwarf, zerkaute und die bitteren Krümel ohne Wasser schluckte. Er hatte kaum geschlafen, wie fast immer, wenn er die Nacht im Flugzeug unterwegs war. Und das, obwohl man in der Business Class seinen Sitz in ein Bett verwandeln konnte und sogar noch Kissen, Decken, Kulturbeutel und weiteren Firlefanz gestellt bekam, auf den die Gäste hinten im Viehtransport gefälligst zu verzichten hatten.
    Vielleicht liegt es daran , überlegte Torino, dass man dadurch, indem man sich ganz auf den Schlaf einstellt, eine Erwartungshaltung erzeugt, die das, was man erreichen will, eben nicht eintreten lässt – nämlich den Schlaf.
    Sonst konnte Torino überall gut schlafen, besonders bei Marketingpräsentationen irgendwelcher Werbefuzzis, die seiner Firma mal wieder überflüssige Brandingkampagnen andrehen wollten.
    Er genoss den bitteren Geschmack des Aspirins, der sich in seiner Mundhöhle ausbreitete. Tatsächlich schien der Kopfschmerz ein wenig nachzulassen.
    Albert Torino war Medienmanager. Nachdem er ein paar Jahre bei großen Privatsendern gearbeitet hatte und dort für einige ebenso umstrittene wie erfolgreiche Formate verantwortlich gewesen war, hatte er seine eigene Firma gegründet, die Integrated Entertainment, bei der ihm kein hirnloser Verwaltungsrat hereinreden und keine impotenten Controller etwas verbieten konnten. Er war der Boss; die Finanzierung für sein nächstes Projekt stand zu 80 Prozent, und seine Idee war brillant: In Brasilien suchten sie
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