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Filzengraben

Filzengraben

Titel: Filzengraben
Autoren: Petra Reategui
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es ihm vor. Er ärgerte sich über sie, wie er sich über die Rothaarige vom Fischmarkt geärgert hatte. Noch bevor sie ihn etwas fragen konnte, verlangte er, den Hausherrn zu sprechen.
    Â»Dalmonte aus Craveggia«, fügte er rau hinzu. Sollte sie doch glauben, dass er mit dem Spediteur verwandt sei!
    Â»Herr Dalmonte …«, das Mädchen betonte das Wörtchen »Herr«, »… Herr Dalmonte ist ausgegangen. Was willst du von ihm?«
    Giacomo zog es vor, nicht zu antworten.
    Er war erleichtert, als er wieder draußen auf der Straße stand. Er spürte ihre Blicke im Rücken. Eine Magd war sie nicht, dachte er. Vielleicht seine Tochter. Ihre Stimme klang in ihm nach. Angenehm dunkel und weich. Wenn auch nicht unbedingt freundlich.

DREI
    Wie er es vorausgesagt hatte, war Paolo Luciano Dalmonte erst spät in der Nacht nach Hause gekommen. Lange hatte er nicht einschlafen können, sondern sich unruhig von einer Seite zur anderen gewälzt. Selbst die Honigmilch, die seine Frau für ihn heiß gemacht hatte, half nicht. Jetzt stand er früh auf, früher als gewöhnlich, und nach einem hastigen Morgenkaffee eilte er zu Filippo Matti in die Straßburgergasse, um sich rasieren zu lassen.
    Es herrschte Hochbetrieb beim Barbier wie sonst nur vor Fronleichnam. Oder wenn der Kaiser sich in der Reichsstadt ankündigte. Wer gestern nicht zu Laurenz Bianco kommen konnte, war um so begieriger zu erfahren, was vorgefallen war. Und wer dabei gewesen war, wollte es noch einmal hören. Die Stimmen überschlugen sich, einer fiel dem anderen ins Wort. Ständig ermahnten Matti und sein Gehilfe die Herren still zu sitzen, wenn sie Kinn und Wangen einseiften und das Messer ansetzten. Häufiger als sonst mussten sie zum blutstillenden Alaunstein greifen.
    Â»Die arme Jungfer Johanna. Auf den Tag genau vier Monate nach ihrem Vater!«, sagte Ferraris.
    Â»Menschen leben nun mal nicht ewig. Immerhin war sie schon fast vierzig«, bemerkte Silvanus Testi gottergeben, schlug das Kreuz vor der Brust und überließ sich den geschickten Händen des Barbiers.
    Völlig überraschend war Signorina Johanna Catharina Feminis, Tochter des gerade erst verschiedenen Johann Paul Feminis, vor zwei Tagen gestorben. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die traurige Nachricht in Köln. Der Tod der Jungfer erschütterte alle, Händler und Geschäftsfreunde, Nachbarn, die Kirchengemeinde von Sankt Laurenz, wo der Vater begraben lag, vor allem aber die Familien aus italienischen Landen, von denen viele in Köln und Umgebung lebten.
    Man kannte sich untereinander. Gemeinsam litt man und freute sich. Eifersüchtig beobachtete einer den anderen, neidete dem Landsmann den Erfolg. War aber Not am Mann, griff jeder in seinen Beutel und half, so gut er konnte. Sie hatten den alten Feminis geschätzt. Für viele war der Lombarde aus dem Vigezzotal Vorbild gewesen. Er hatte ihrer aller Traum gelebt und es mit Beharrlichkeit und ein wenig Glück vom armseligen, herumwandernden Pomeranzenhändler mit Bauchladen zum angesehenen Kaufmann und Destillateur gebracht. Mit eigenem Haus in bester Lage. Einige schworen auf sein Aqua mirabilis. Es sei um ein Vielfaches besser als die unzähligen Heilwässerchen, die zwielichtige Mönche daheim in den Alpen Kranken und Gebrechlichen verkauften und ihnen damit das letzte Geld aus der Tasche zogen.
    Â»Nach Maastricht und Amsterdam soll er es sogar verkauft haben. An Adlige und gut betuchte Geschäftsleute.« Schneidermeister Grevenberg, einer der wenigen rheinischen Kunden des Barbiers, war voll ehrlicher Bewunderung.
    Â»Damit dürfte es nun vorbei sein«, ließ sich Anton Cettini vernehmen, der für die Gazette de Cologne schrieb und am liebsten deutsch sprach. Seine Großeltern waren Mitte des vergangenen Jahrhunderts von Venedig nach Köln gekommen, doch schon seine Eltern unterhielten sich kaum mehr auf Italienisch miteinander. Nur wenn die Kinder nichts verstehen sollten, wechselten sie in ihren venezianischen Dialekt.
    Â»Das ist das Aus für das Handelshaus.«
    Die anderen nickten zustimmend. Feminis’ Witwe war zu alt, um den Handel und die Wasserfabrikation selbstständig weiterzuführen, Söhne gab es schon lange nicht mehr, und die letzte noch lebende Tochter, Anna Maria Theresia, hatte vor vielen Jahren allen weltlichen Dingen abgeschworen. Sie war Klarissin geworden und ins Kloster
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