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Fieber

Titel: Fieber
Autoren: Robin Cook
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Schatten zögernd und gaben den Blick frei auf eine formlose graue Wolkendecke. Es sah nach Schnee aus, und trotz der Kälte hing ein Dunstschleier in der Luft, dessen stechende Nässe die Nähe des östlich gelegenen Atlantiks verriet.
    Wie eine Geisterstadt schmiegten sich die roten Backsteinhäuser des alten Shaftesbury an den Lauf des Pawtomack River. Der Fluß war einmal die Lebensader der Stadt gewesen. Seine Quelle lag in den schneebeladenen White Mountains im Norden. Von dort lief er dem südöstlich gelegenen Meer entgegen. Bei der Stadt wurde die sanfte Strömung des Flusses von einem zerbröckelnden Damm unterbrochen und von einem großen Schaufelrad, das seit Jahren stillstand. Aufgereiht zu beiden Seiten des Flusses standen Block für Block leere, aufgegebene Fabriken, die an eine blühende Zeit erinnerten, als Neuengland noch das Herz der Textilindustrie war. In das letzte der Backsteingebäude, das ganz am Südende der Stadt lag, am Fuß der Main Street, war ein chemischer Betrieb gezogen. Das Unternehmen nannte sich Recycle Ltd. und verdiente sein Geld mit der Wiederaufbereitung von altem Gummi, Plastik und Vinyl. Beißender grauer Rauch stieg in Fetzen aus dem turmhohen Schornstein der Fabrik und vermischte sich mit den Wolken. Über dem ganzen Gelände hing ein fauliger, ätzender Geruch von verbranntem Gummi und Plastik. Verteilt um das Fabrikgebäude ragten Berge alter Autoreifen auf, die wie Kothaufen eines gigantischen Monsters aussahen.
    Südlich der Stadt lief der Fluß durch ein hügeliges Waldgebiet. Eingestreut in den Wald lagen schneebedeckte Wiesen, die dreihundert Jahre zuvor von den ersten Siedlern mit Feldsteinen umsäumt worden waren. Zehn Kilometer im Süden der Stadt schwenkte der Fluß in einem sanften Bogen nachOsten und schnitt eine zweieinhalb Hektar große Halbinsel in das Land. In der Mitte der Halbinsel lag ein flacher Teich, der durch einen schmalen Zulauf mit dem Fluß verbunden war. Hinter dem kleinen See erhob sich ein Hügel, auf dessen Kuppe ein viktorianisches Farmhaus stand, das mit seinem weißen Fachwerk und dem Giebeldach wie ein Pfefferkuchenhaus aussah. Eine lange Auffahrt, die von Eichen und Zuckerahorn eingefaßt war, wand sich hinunter zur Interstate 301, die in Richtung Süden nach Massachusetts führte. Fünfundzwanzig Meter nördlich des Hauses lag inmitten eines Buschwerks aus Immergrün ein windschiefer Stall. Und am Rande des Teiches stand, auf Pfählen gebaut, eine kleine Nachbildung des Farmhauses, ein Schuppen, der in ein Kinderspielhaus verwandelt worden war.
    Diese wunderschöne Landschaft Neuenglands hätte gut das Januarmotiv eines Kalenders sein können, wäre nicht ein winziges störendes Detail in dem Bild gewesen: Es gab keine Fische in dem Teich, und in einem Umkreis von zwei Metern wuchs keine Pflanze.
    In den Zimmern des malerischen weißen Farmhauses dämpften Spitzenvorhänge das eindringende blasse Morgenlicht. Doch allmählich lockte die zunehmende Helligkeit Charles Martel aus den Tiefen seines erholsamen Schlafs. Er rollte sich auf die linke Seite und gab sich ganz einer tiefempfundenen Zufriedenheit hin. Zwei Jahre lang hatte er sich gefürchtet, dieses Gefühl in sich wachsen zu lassen. Doch jetzt bestimmten wieder Ruhe und Sicherheit sein Leben. Charles hatte nicht erwartet, das jemals wieder zu erleben, nachdem die Ärzte bei seiner ersten Frau eine Lymphgeschwulst gefunden hatten. Vor neun Jahren war sie gestorben, und Charles war allein geblieben mit den drei Kindern. Das Leben hatte sich in ein dauerndes Leid verwandelt.
    Aber das war nun Vergangenheit, die schreckliche Wunde war verheilt. Und dann war zu Charles’ eigenem Erstaunen die Leere aus seinem Leben verschwunden. Vor zwei Jahren hatte er wieder geheiratet. Aber immer noch fürchtete er sich einzugestehen, wie sehr sich sein Leben zum Besseren gewandelt hatte. Es war einfacher und weniger gefährlich, sich auf die tägliche Arbeit zu konzentrieren und auf die kleinen Notwendigkeiten des Familienlebens, als die wiedergewonnene Zufriedenheit offen zu zeigen und mit ihr das kostbarste, aber auch verletzlichste Gut – das Glück. Aber Cathryn, seine neue Frau, machte es ihm schwer, das alles zu unterdrücken, denn sie war eine lebensfrohe und gebende Person. Am Tag, als sie sich das erste Mal sahen, hatte sich Charles in sie verliebt. Fünf Monate danach hatten sie geheiratet. Während der letzten zwei Jahre war seine Liebe für sie nur noch gewachsen.
    Je mehr die
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